GESELLSCHAFTSRECHT
Grünes Licht für Fusionskontrolle bei noch kleinen Unternehmen
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Luxemburg (jur). Auf Antrag eines Mitgliedsstaats kann die EU-Kommission den Zusammenschluss von Unternehmen auch dann überprüfen, wenn deren Umsätze unter den für die Fusionskontrolle relevanten Umsatzschwellen liegen. Das hat am Mittwoch, 13. Juli 2022, das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg entschieden (Az.: T-227/21). Es handelt sich um das erste Urteil zu einer neuen Strategie der EU-Kommission bei noch kleinen aber innovativen Unternehmen mit erheblichem Wettbewerbspotenzial.
Geklagt hatte das US-Unternehmen Illumina, das Systeme für die Genanalyse entwickelt, produziert und vermarktet. Im September 2020 hatte Illumina angekündigt, es wolle die Kontrolle über das ebenfalls US-amerikanische Biotechnologieunternehmen Grail übernehmen, das sich auf die Genomsequenzierung stützt, um Tests für die Krebsvorsorge zu entwickeln.
Die Umsätze beider Unternehmen lagen unter den auf EU-Ebene und in den Mitgliedsstaaten geltenden Schwellen für eine Fusionskontrolle. Dennoch nahm die EU-Kommission eine erste Prüfung vor. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen erfüllt seien, um die Fusionskontrolle an betroffene Mitgliedsstaaten zu verweisen. Zunächst Frankreich und danach mehrerer weiterer EU-Staaten bekundeten ihr Interesse. Im April 2021 verwies die Kommission die Sache nach Frankreich und bestätigte den Beitritt der anderen Länder zu dem Verfahren.
Mit seiner Klage meinte Illumina, die Kommission sei für die Prüfung nicht zuständig gewesen. Das EuG wies diese Klage nun ab.
Danach kann sich die EU-Kommission auf eine Klausel der EU-Fusionskontrollverordnung stützen, die auf Antrag eines Mitgliedsstaates eine Kartellprüfung auch dann ermöglicht, wenn die relevanten Umsatzschwellen nicht erreicht sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der geplante Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erheblich zu beeinträchtigen droht.
Hierzu hatte die EU-Kommission im März 2021 neue Leitlinien für ein Verfahren veröffentlicht, mit dem kleinere aber innovative Unternehmen mit erheblichem Wettbewerbspotenzial bei der Fusionskontrolle besser berücksichtigt werden sollen. Danach nimmt die Kommission in solchen Fällen eine Art Vorprüfung vor. Wenn sie die Voraussetzungen für erfüllt hält, fragt sie bei den Mitgliedsstaaten an, ob sie eine „Verweisung“ beantragen wollen.
Das EuG urteilte nun, dass dieses Vorgehen von der Fusionskontrollverordnung gedeckt ist. Die Klage der Unzuständigkeit der EU-Kommission sei daher unbegründet. Auch den Einwand einer Verfristung wiesen die Luxemburger Richter im Ergebnis ab.
Illumina kann hiergegen noch Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock