STRAFRECHT
Hausarbeit im IS-Staat muss keine Förderung des IS-Staates sein
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Karlsruhe (jur). Hausarbeit und Kindererziehung im sogenannten Islamischen Staat (IS) muss noch keinen dringenden Tatverdacht der Unterstützung und Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bedeuten. Anders sieht dies jedoch aus, wenn die „häuslichen Pflichten“ die Kampfmoral des Ehemannes fördern sollen, die Kinder nach der IS-Ideologie erzogen und bei „Glaubensgeschwistern“ um Spenden für den IS geworben wird, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei am Donnerstag, 12. Mai 2022, bekanntgegebenen Beschlüssen (Az.: AK 14/22 und AK 18/22).
Die Karlsruher Richter ordneten damit in einem Fall die Verlängerung der sechsmonatigen Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts der Unterstützung und Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung an; im anderen Fall wurde eine IS-Rückkehrerin auf freiem Fuß gesetzt.
Im ersten Verfahren war im Oktober 2016 die damals 25-jährige Beschuldigte mit ihren beiden zwei- und einjährigen Söhnen in das syrische Herrschaftsgebiet des IS gereist. Ihren Ehemann überredete sie ebenfalls zur Ausreise. Dieser sollte sich als Kämpfer dem IS anschließen. Selbst als dieser zurückkehren wollte, überredete sie ihn erfolgreich, sich weiter für den IS einzusetzen. Sie selbst war für die Hausarbeit und Kindererziehung zuständig und warb über einen Kanal beim Messengerdienst „Telegram“ bei „Glaubensgeschwistern“ um Spenden für den IS. Als sie bereits in einem Internierungslager in Nordsyrien inhaftiert war, verwendete sie in ihrem WhatsApp-Profil noch IS-Symbole.
Im zweiten Fall reiste im April 2015 die damals 30-jährigen Beschuldigte mit ihren drei Kindern und ihrem Ehemann ebenfalls in das syrische IS-Herrschaftsgebiet aus. Ihr Mann war bei einer technischen Einheit des IS tätig. Sie selbst führte die Hausarbeit aus und kümmerte sich um die Kinder.
Als die beiden Frauen nach Deutschland zurückkehrten, wurde gegen sie Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts der Unterstützung und Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht erlassen. Sie kamen in Untersuchungshaft, die nach sechsmonatiger Dauer überprüft wurde.
Der BGH entschied am 21. April 2022, dass im ersten Fall die Fortdauer der Untersuchungshaft gerechtfertigt sei. Im zweiten Verfahren wurde die Freilassung der IS-Rückkehrerin angeordnet.
Ein dringender Tatverdacht wegen Unterstützung und Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bestehe, wenn diese aktiv gefördert und eine „gewisse einvernehmliche Eingliederung der Täterin in die Organisation“ vorliege. Dies sei im ersten Verfahren der Fall. Die Beschuldigte habe nicht nur ihren Ehemann zum Kampf beim IS überredet, sie habe mit der Erfüllung ihrer „häuslichen Pflichten“ den IS bewusst fördern wollen und habe dann auch noch um Spenden geworben.
Im zweiten Verfahren lag bei der Beschuldigten solch eine Eingliederung in die Organisation des IS nicht vor. Sie habe ein alltägliches Leben im „Kalifat“ mit Hausarbeit und Kindererziehung geführt, ohne dass sie aktiv den IS fördern wollte. Der allein bestehende dringende Tatverdacht der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht begründe keine Fortsetzung der Untersuchungshaft, so der BGH.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock