BANKRECHT / KAPITALMARKTRECHT
Immobilienfinanzierung: Darlehen mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung lassen sich widerrufen!
Autor: Damian J. Krause - Rechtsanwalt
Mit seinem Urteil vom 27.01.2016 – Az: 17 U 16/15 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung mit der Formulierung „die (Widerrufs-)Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ fehlerhaft sei.
Worum ging es?
Der Kläger hat im Jahre 2007 als Verbraucher zwei Darlehnsverträge bei der Beklagten abgeschlossen. Im Januar 2014 löste der Kläger beide Darlehensverträge bei der Beklagten vorzeitig ab und leistete an diese Vorfälligkeitsentschädigungen in Gesamthöhe von rund 55.600,- Euro.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2014 ließ der Kläger seine vor knapp 7 Jahren abgegebenen Erklärungen zum Abschluss der beiden Darlehensverträge widerrufen und forderte von der Beklagten eine Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von rund 21.000,- Euro sowie Herausgabe der Nutzungen.
Das Landgericht Wiesbaden gab dem Kläger in der ersten Instanz Recht (Urteil vom 18.12.2014 – Az: 9 O 95/14). Dagegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung zum OLG Frankfurt am Main.
Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
Auch das OLG Frankfurt am Main hielt die Widerrufsbelehrung der Beklagten für fehlerhaft. Aus der verwendeten Formulierung „die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt der dieser Belehrung“ sei es dem Verbraucher nicht eindeutig klar, wann seine Widerrufsfrist beginnt. Nach Auffassung des erkennenden Senats vermag der Verbraucher der Formulierung lediglich zu entnehmen, „dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnen, der Beginn des Fristablaufs also noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird damit darüber im Unklaren gelassen, um welche etwaigen Umstände es sich dabei handelt“. Dies verstößt gegen das Deutlichkeitsgebot.
Erklärung des Widerrufs war noch nach knapp 7 Jahren rechtlich möglich
Mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung war die zweiwöchige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. nicht in Gang gesetzt worden, so dass der Kläger auch noch nach knapp 7 Jahren seine Erklärungen gegenüber der Beklagten widerrufen konnte.
Nach Ansicht des Gerichts konnte auch durch die jahrelange unbeanstandete Durchführung der Verträge und die Rückführung der Darlehen keine Verwirkung angenommen werden. Denn derjenige, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet, muss regelmäßig mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechnen. Auch nach erfolgter Abwicklung der Darlehensverträge musste die Beklagte mit Rückabwicklungen rechnen.
Verfolgung von wirtschaftlichen Interessen auch nicht rechtsmissbräuchlich
Auch, dass der Kläger mit seinem Widerruf nur wirtschaftliche Interessen vorfolgte, störte das Gericht nicht. Denn nach der gesetzlichen Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bedarf die Erklärung eines Widerrufs keiner Begründung. Wie der erkennende Senat dann in seinen Urteilsgründen ausführte, findet bei einem Widerruf eine „Gesinnungsprüfung weder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist noch danach statt.
Praxistipp:
Mit Gesetzesänderung vom 01.04.2016 wurde das vormals unbefristete „ewige“ Widerrufsrecht befristet. Nach der aktuellen Gesetzeslage können Darlehensverträge nur noch ein Jahr und 14 Tage lang widerrufen werden. Kunden, die ihre Verträge vor dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung geschlossen haben – sog. Altverträge –, können diese noch bis zum 21.06.2016 widerrufen.
Nach Information der Verbraucherzentrale Hamburg sollen neun von zehn der bei Immobilienkreditverträgen enthaltenen Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sein. Bei zwischen 2002 und 2010 geschlossenen Immobilienkreditverträgen haben sich Banken und Sparkassen oftmals nicht an die Vorgaben der Musterbelehrung gehalten, so dass diese Verträge in der Regel noch heute widerrufbar sind. Wie das zitierte Urteil des bisher zum Darlehnswiderruf kritisch stehenden OLG Frankfurt am Main zeigt, kann der Widerruf auch noch nach erfolgter Rückführung des Darlehens, so etwa für die Rückforderung einer gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung, Bedeutung entfalten.
Um den Widerruf rechtzeitig und erfolgreich durchsetzen zu können, sollten Sie zeitnah professionelle Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen. Wir überprüfen ihre Vertragsunterlagen und teilen Ihnen mit, ob ein Widerruf in Betracht kommt. Bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung erklären wir für Sie den Widerruf und setzen Ihre Ansprüche gegenüber dem Kreditinstitut durch.