STRAFRECHT
Journalisten betreiben keine „Datenhehlerei“
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Karlsruhe (jur). Journalisten, die „geleakte“ Daten auswerten und darüber berichten, machen sich wohl nicht der „Datenhehlerei“ schuldig. „Ein hinreichendes Risiko, dass sich Journalisten strafbar machen, besteht nicht“, heißt es in einem am Mittwoch, 22. Juni 2022, veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 1 BvR 2821/16). Eine diesbezügliche Verfassungsbeschwerde wiesen die Karlsruher Richter daher als unzulässig ab.
In dem Streit geht es um den 2015 eingeführten Strafparagrafen der „Datenhehlerei“ (Paragraf 202d Strafgesetzbuch). Er stellt unter bestimmten Voraussetzungen die Weitergabe rechtswidrig erlangter Daten unter Strafe. Damit soll beispielsweise der Handel mit gestohlenen Kreditkartendaten bekämpft werden.
Investigative Journalistinnen und Journalisten sahen dadurch ihre Arbeit gefährdet. Der Paragraf sei so schwammig formuliert, dass die journalistische Auswertung ihnen zugespielter Daten sie vor Gericht bringen könne. Auch mögliche Informanten würden eingeschüchtert.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in Berlin legte für sieben Journalisten und Blogger sowie die Organisationen netzpolitik.org und Reporter ohne Grenzen eine Verfassungsbeschwerde ein. Als Beispiel nannte die GFF dabei die Berichterstattung eines der Beschwerdeführer über ein Onlineportal zur Partnersuche. Nach Zahlung einer Gebühr konnten Nutzer dort mit vermeintlichen anderen Interessierten kommunizieren. Durch Auswertung eines ihm zugespielten Archivs konnte der Hörfunkjournalist belegen, dass viele angebliche Nutzerinnen gar nicht existierten. Eine Partnerin suchende Männer kommunizierten stattdessen mit einer Computersimulation.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 30. März 2022 nahm das Bundesverfassungsgericht diese nicht zur Entscheidung an. „Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten durch die angegriffenen Regelungen nicht hinreichend substanziiert dargelegt haben.“
Nach dem Vortrag der Beschwerdeführer und der GFF sei nicht ersichtlich, dass ein grundrechtlich geschütztes Verhalten der Journalisten nach dem neuen Paragrafen strafbar sei. So seien das hier genannte und auch weitere Beispiele „eindeutig nicht umfasst“. Selbst wenn Informanten diese Daten rechtswidrig erlangt haben sollten, treffe die Strafandrohung nicht die Journalisten, die sie auswerten.
Zudem setze die Strafbarkeit der Datenhehlerei die Absicht voraus, sich selbst zu bereichern oder andere Personen zu schädigen. Auch dies sei bei Journalisten nicht erkennbar. „Steht die Aufklärung von Missständen im Vordergrund, richtet sich die Absicht des Täters hierauf, nicht aber auf die Schädigung.“
Weiter verwies das Bundesverfassungsgericht auf einen Abschnitt des Paragrafen, der journalistische Tätigkeit ausschließen soll. Nach der Gesetzesbegründung dränge sich dabei eine Auslegung auf, wonach „ein umfassender Ausschluss journalistischer Tätigkeiten bezweckt wird“. So seien beispielsweise ausdrücklich auch Recherchen ausgeschlossen, die sich als unergiebig erweisen, so dass es nicht zu einer Veröffentlichung kommt. „Entscheidend ist die Vorstellung des jeweiligen Journalisten, dass seine Handlungen in eine konkrete Veröffentlichung münden kann.“
Auch die Sorge, mögliche Informanten könnten abgeschreckt werden, „ist nicht nachzuvollziehen“, so das Bundesverfassungsgericht abschließend. Bei der Weitergabe von Daten an Journalisten seien sie als „Vortäter“ ebenfalls geschützt. Gleiches gelte beispielsweise für IT-Spezialisten, die Journalisten bei der Datenauswertung unterstützen. Auch bei ihnen liege eine Strafbarkeit fern.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock