REISERECHT
Keine Fluggast-Ausgleichszahlung bei kulanzweiser Beförderung
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Frankfurt/Main (jur). Befördert eine Fluggesellschaft trotz ihrer Insolvenz kulanzweise Passagiere mit ihren zuvor bezahlten Tickets, können die Reisenden bei einer Flugverspätung keine Entschädigung verlangen. Denn wurden die Tickets vor der Insolvenz bezahlt, wird der ursprüngliche Beförderungsanspruch zu einer Insolvenzforderung, so dass ein dennoch durchgeführter Flug als „kostenlos“ gilt, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Donnerstag, 1. September 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 13 U 280/21). Eine Ausgleichszahlung wegen einer Verspätung könne nach der EU-Fluggastrechteverordnung dann nicht verlangt werden.
Konkret ging es um eine Flugreise von Frankfurt auf die Seychellen. Der Kläger wollte am 3. Januar 2020 auf die Inselgruppe im Indischen Ozean hinfliegen. Der Rückflug sollte dann am 4. April 2020 erfolgen. Doch dann stand der Urlaub auf der Kippe. Über das Vermögen der Fluggesellschaft wurde im Dezember 2019 das Insolvenzverfahren eröffnet. ###
Die Fluggesellschaft entschloss sich dennoch aus Kulanz und um ihren guten Ruf zu wahren, Passagiere mit vor der Insolvenzantragstellung bezahlten Tickets zu befördern. Der Hinflug war verspätet, und wegen der Covid-19-Pandemie klappte der vereinbarte Rückflug nicht. Erst nach knapp vier Monaten, am 1. August 2020, hatte die Fluglinie einen Rückflug organisieren können.
Wegen der Verspätung des Hinflugs verlangte der Reisende von der Fluglinie eine Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung. Diese sieht eine finanzielle Entschädigung vor, wenn ein Flug sich um mehr als drei Stunden verspätet hat oder ganz ausfällt. Je nach Entfernung beträgt die Entschädigung 250 Euro bis 600 Euro bei Interkontinentalflügen. Auch die Kosten für eine erforderlich Hotelunterbringung können zusätzlich geltend gemacht werden.
Da er nicht am 4. April 2020, sondern erst knapp vier Monate später zurückfliegen konnte, müssten ihm neben der regulären Ausgleichszahlung auch noch die angefallenen Hotelkosten in Höhe von 4.000 Euro erstattet werden, meinte der Kläger nach seinem unfreiwillig verlängerten Urlaub. Außerdem verlangte er die hälftige Erstattung der Kosten des Rückflugs.
Doch das OLG lehnte die Zahlungsansprüche mit Urteil vom 20. Juli 2022 ab. Wegen der Insolvenz der Fluggesellschaft sei der ursprüngliche Beförderungsanspruch zu einer Insolvenzforderung geworden. Die Fluglinie habe den Passagier daher nicht mehr befördern müssen. Da das Unternehmen dies kulanzweise dennoch getan habe, sei nach der Fluggastrechteverordnung die Reise als „kostenlose“ Beförderung zu werten. Für eine kostenlose Beförderung gebe es aber keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung oder andere Leistungen wie etwa eine Erstattung der Hotelkosten.
Ausgleichsansprüche, die keinen Vermögensschaden voraussetzten, sondern dem Ausgleich von Ärgernissen und Unannehmlichkeiten dienten, bestünden nur im Fall der Entgeltlichkeit“, heißt es in der Entscheidung.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zugelassen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock