STEUERRECHT
Keine komplette Vertraulichkeit von Dokumenten der Finanzaufsicht
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Luxemburg (jur). Dokumente der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sind nicht automatisch komplett vertraulich. Frühere Geschäftsgeheimnisse hätten nach fünf Jahren ihre Vertraulichkeit in der Regel verloren, urteilte am Dienstag, 19. Juni 2018, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Az.: C-15/16).
Damit erzielte ein Anleger einen Teilerfolg, der Vermögen durch die betrügerischen Machenschaften der früheren Phoenix Kapitaldienst GmbH verloren hatte. Diese hatte den Kunden die Anlage ihrer Gelder in spekulativen Termingeschäften zugesichert. Sieben Jahre lang wurde aber das Geld der Neukunden überwiegend in einem Schneeballsystem den Bestandskunden ausbezahlt und für die Deckung der laufenden Kosten verwendet, bis die Finanzaufsicht 2005 die weitere Tätigkeit untersagte.
Streit wurde dem EuGH vorgelegt
Um diesbezügliche Schadenersatzansprüche besser geltend machen zu können, hatte der Anleger bei der BaFin verschiedene Dokumente angefordert, etwa Briefe und das Gutachten zu einer Sonderprüfung bei Phoenix.
Er stützte sich dabei auf den EU-weit geregelten Zugang der Bürger zu Behördeninformationen, in Deutschland umgesetzt durch das Informationsfreiheitsgesetz. Dabei gibt es allerdings zahlreiche Ausnahmen. Zudem verpflichtet eine Finanzaufsichts-Richtlinie der EU aus 2004 die Aufsichtsbehörden zur Verschwiegenheit. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig legte den Streit dem EuGH vor.
Geschäftsgeheimnisse verlieren nach fünf Jahren ihren vertraulichen Charakter
Der entschied nun, dass nicht alle Informationen automatisch als vertraulich gelten. Durch das Berufsgeheimnis geschützt seien nur Unterlagen, die die berechtigten Interessen des beaufsichtigten Instituts, von Informanten oder anderen Personen und Einrichtungen beeinträchtigen.
Zudem betonten die Luxemburger Richter, dass Informationen, die ursprünglich geschützte Geschäftsgeheimnisse waren, nach fünf Jahren „im Allgemeinen ihren vertraulichen Charakter verlieren“. Anderes könne allerdings „ausnahmsweise dann gelten, wenn die Partei, die sich auf die Vertraulichkeit beruft, nachweist, dass die Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der von betroffenen Dritten sind“.
Zeitpunkt der Prüfung einer Freigabe ist maßgeblich für die Vetraulichkeit
Maßgeblich für die Vertraulichkeit sei in jedem Fall der Zeitpunkt der Prüfung einer Freigabe, betonte der EuGH. Dabei müssten Aufsichtsbehörden wie die BaFin auch keine Informationen freigeben, durch die ihre Überwachungsmethoden und -strategien bekanntwürden.
Nach diesen Maßgaben muss im konkreten Fall nun das Bundesverwaltungsgericht prüfen, welche Informationen die BaFin freigeben darf beziehungsweise muss.
Unterdessen hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden, dass Phoenix-Anleger eine Entschädigung durch die Einlagensicherung EdW beanspruchen können (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 20. September 2011, Az.: XI ZR 434/10 und weitere). Die EdW mit Sitz in Berlin wurde 1998 im Zuge einer gesetzlichen Verbesserung des Anlegerschutzes eingerichtet. Sie soll insbesondere Kleinanleger in Fällen schützen in denen das verkaufende Finanzunternehmen nicht – wie etwa die meisten Banken – einem eigenen Sicherungssystem angehören. Gezahlt werden bis zu 90 Prozent der Forderungen, höchstens aber 20.000 Euro.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage