STRAFRECHT
Keine Opferentschädigung wegen jahrelangem Verzicht auf Therapie
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Stuttgart (jur). Kann ein Opfer einer versuchten Vergewaltigung problemlos vor Gericht im Angesicht mit dem Täter den Vorfall schildern und lehnt es jahrelang eine psychologische Behandlung ab, spricht dies gegen das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Ein Anspruch auf eine staatliche Opferentschädigung besteht dann nicht, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 2. Juni 2022 (Az.: L 6 VG 2740/21).
Die aus Schwaben stammende Klägerin wurde am 1. September 2006 Opfer einer versuchten Vergewaltigung. Wegen eines zufällig vorbeikommenden Passanten wurde die Vergewaltigung nicht vollzogen. Der 18-Jährige Täter wurde zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Nach dem Angriff litt die Frau über körperliche und psychische Beschwerden. Das zuständige Landratsamt billigte ihr nach längeren gerichtlichen Auseinandersetzungen unter anderem wegen einer PTBS einen Grad der Schädigung (GdS) von 30 zu. Ab diesem Wert besteht Anspruch auf eine Beschädigtengrundrente.
Doch den Verlängerungsantrag lehnte das Landratsamt am 29. Dezember 2016 ab.
Nun urteilte auch das LSG, dass die Frau keine Entschädigung mehr verlangen können. Denn sie habe zum Zeitpunkt ihres Verlängerungsantrags nicht im Vollbeweis nachweisen können, dass sie weiterhin an einer entschädigungspflichtigen PTBS leide.
Die Störung gehe nicht nur mit dem direkten persönlichen Erleben einer schweren Verletzung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit einher. Typische Symptome seien auch das wiederholte Wiedererleben der traumatischen Ereignisse, etwa wenn die Person mit Ereignissen konfrontiert werden, die sie an die Gewalttat erinnern.
Hier habe die Klägerin im Gerichtsverfahren und bei Begutachtungen den Hergang ausführlich und auch in der Konfrontation mit dem Täter schildern können. Eine besonders starke psychische Belastung sei nicht erkennbar gewesen. Zwischen Ende 2008 bis Herbst 2013 habe sie keine psychiatrische oder psychologische Behandlung in Anspruch genommen.
Erst nach einem gerichtlichen Hinweis, dass eine Behandlung auf einen Leidensdruck hinweise und einen höheren GdS begründen könne, habe die Klägerin eine Therapie aufgenommen. Dies deute darauf hin, dass Versorgungswünsche der eigentliche Grund für die Behandlung waren, so das LSG. Ein Anspruch auf eine Beschädigtengrundrente bestehe somit nicht.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock