ARBEITSRECHT
Keine Prozesskostenhilfe bei hohen Diskriminierungsentschädigungen
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Mainz (jur). Vermeintlich mittellosen schwerbehinderten Menschen kann es zumutbar sein, dass sie erhaltene hohe Entschädigungen wegen erlittener Diskriminierungen für weitere beabsichtigte Gerichtsverfahren verwenden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein Gericht ohne konkrete Angaben zur Höhe solcher Diskriminierungsentschädigungen einen Prozesskostenhilfeantrag ablehnt, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 21. Februar 2022 (Az.: 5 Ta 13/22). Die Mainzer Richter ließen jedoch die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt zu.
Im Streitfall ging es um einen schwerbehinderten Rentner und ausgebildeten Großhandelskaufmann, der sich im März 2021 auf eine von einer Stadt ausgeschriebenen Stelle als Mitarbeiter (m/w/d) für den Bereich der allgemeinen Verwaltung bewarb. Zum Vorstellungsgespräch wurde er trotz anderslautender gesetzlicher Vorgaben nicht eingeladen.
Die unterbliebene Einladung stelle ein Indiz für eine Diskriminierung wegen seiner Behinderung dar, so der Rentner. Er verlangte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern, insgesamt 8.450 Euro. Um seine Ansprüche gerichtlich geltend machen zu können, beantragte er beim Arbeitsgericht Koblenz Prozesskostenhilfe.
Die Stadt lehnte die Zahlung einer Entschädigung ab. Bei dem Rentner handele es sich um einen bundesweit bekannten sogenannten AGG-Hopper, also jemand, der sich immer wieder bei öffentlichen Arbeitgebern zum Schein bewirbt, um dann Diskriminierungsentschädigungen einklagen zu können. Dies sei rechtsmissbräuchlich.
Da das Arbeitsgericht Koblenz dem Rentner in einem anderen Verfahren bereits eine Entschädigungszahlung in Höhe von knapp 4.900 Euro zugesprochen hatte, verlangte es im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren Angaben über den Verbleib des Geldes und über weitere erhaltene Entschädigungen. Das Gericht hatte es zunächst als unstreitig angesehen, dass der Rentner wegen fehlender Einladungen zu Bewerbungsgesprächen in der Vergangenheit Entschädigungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erstritten hatte.
Doch der Rentner lehnte Angaben zur Höhe erhaltener Entschädigungen und zum Verbleib des Geldes ab. Er meinte, Entschädigungen seien anrechnungsfrei.
Daraufhin lehnte das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag ab.
Das LAG bestätigte diese Entscheidung. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht am 26. Mai 2011 entschieden, dass Schmerzensgeld im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht als einzusetzendes Vermögen anzusehen sei (Az.: 5 B 26/11). Dies sei mit einer Entschädigung nach dem AGG aber nicht vergleichbar. Gleiches gelte auch für ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. August 2012 (Az.: B 14 AS 164/11 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach könnten AGG-Entschädigungszahlungen nicht auf Hartz-IV-Leistungen mindernd angerechnet werden. Auf die Prozesskostenhilfe könne auch dies nicht übertragen werden, so das LAG.
Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Habe der Antragsteller tatsächlich Diskriminierungsentschädigungen von mindestens 50.000 Euro erhalten, könne es durchaus gerechtfertigt sein, dass das Geld zur Begleichung weiterer Prozesskosten verwendet werde. Das Arbeitsgericht habe daher von dem Rentner Angaben zu erhaltenen Entschädigungen verlangen können.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock