Kirchturmsanierung auch mit geringeren kommunalen Mitteln
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Stuttgart (jur). Müssen Kommunen sich nach altem Kirchenrecht an den Sanierungskosten für einen Kirchturm beteiligen, ist der Kostenanteil nicht in Stein gemeißelt. Es muss nicht gegen die „Kirchengutsgarantie“ in der Landesverfassung verstoßen, wenn Kommunen die Kostenbeteiligung drücken, entschied der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg in einem am Dienstag, 3. Februar 2015, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: 1 VB 48/14). Die Stuttgarter Richter lehnten damit die Verfassungsbeschwerde der Evangelischen Kirchengemeinde Gingen im Landkreis Göppingen als unbegründet ab.
Konkret ging es um die Sanierung des Kirchturms der gotischen Johanneskirche in Gingen an der Fils. Die Kirchengemeinde verlangte von der Gemeinde Gingen sich an den Kosten für die Sanierung des Turms, der Kirchenuhr und der Glocken zu beteiligen, insgesamt mit knapp 300.000 Euro. Dabei berief sie sich auf das Württembergische Kirchengemeindegesetz vom 14. Juni 1887.
Danach sollten sich weltliche Gemeinden an den Instandhaltungskosten für Kirchtürme, Kirchenuhren und Kirchenglocken beteiligen. Dabei wurde berücksichtigt, dass ein Kirchturm auch weltlichen Zwecken dient. Uhr und Glocken hätten insbesondere eine Tageseinteilungs-, Zeitansage- und Alarmierungsfunktion, so die historische Gesetzesbegründung.
Die Höhe der Kostenbeteiligung wurde von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich und je nach Maß der Inanspruchnahme geregelt. Die Kirchengemeinde Gingen vereinbarte 1890 mit der weltlichen Gemeinde, dass diese einen Kostenanteil von fünf Sechsteln zu tragen habe.
Doch die Kommune wollte wegen klammer Kassen nicht mehr in dieser Höhe für die Sanierungskosten aufkommen.
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschied am 14. November 2014, dass die Kommune die Kosten drücken kann (Az.: 1 S 2388/12; JurAgentur-Meldung vom 3. Januar 2014). Voraussetzung hierfür sei, dass der eigentliche Zweck für die Kostenbeteiligung weggefallen sei.
So erfüllten Kirchturm, -uhr und -glocken in der heutigen Zeit fast nicht mehr den Zweck der Alarm- und Zeiteinteilungsfunktion. Das über 120 Jahre alte württembergische Kirchengemeindegesetz gelte zwar bis heute weiter fort, die Gemeinde Gingen könne jedoch eine geringere Kostenbeteiligung beanspruchen.
Ein Festhalten an der ursprünglichen Beteiligungsquote sei der Gemeinde Gingen wegen eines „untragbaren Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv unzumutbar“, betonte der VGH.
Dennoch müsse Gingen sich etwas noch an den Instandhaltungskosten von Kirchturm, Kirchuhr und Glocken beteiligen. Denn die Gemeinde werbe auch in ihrem Internetauftritt mit der bildprägenden Wirkung des Kirchturms. Außerdem führe sie diesen in ihrem Gemeindewappen, so die Mannheimer Richter.
Die Kirchengemeinde sah damit ihr in der Landesverfassung verankertes Recht auf Kirchengutsgarantie verletzt. Diese umfasse auch die kommunale Kirchenbaulast.
Der Staatsgerichtshof bestätigte allerdings die Entscheidung des VGH. Dass die Kommune sich nicht mehr in dem bisherigen Maße an den Kirchturmsanierungskosten beteiligen will, führe grundsätzlich nicht zu einer Beeinträchtigung der Kirchengutsgarantie. Die Kirchengemeinde könne aufgrund ihres Eigentumsrechts über den Turm verfügen und diesen nutzen. Es sei nicht klar, warum eine eingeschränkte kommunale Beteiligung an den Instandhaltungskosten die Religionsfreiheit oder das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigen würde.
Neben der kommunalen komme noch eine Beteiligung des Landes hinsichtlich der Denkmaleigenschaft des Kirchturms in Betracht. Weiteres regele hier das Denkmalschutzgesetz, so die Stuttgarter Richter.
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