SOZIALRECHT
Krankenkassen zur „Neutralität im Apothekenwettbewerb“ verpflichtet
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Kassel (jur). Die gesetzlichen Krankenkassen sind zur „Neutralität im Apothekenwettbewerb“ verpflichtet. Eine Werbebeilage der niederländischen Versandapotheke DocMorris in der Mitgliederzeitung hier der DAK ist damit nicht vereinbar, urteilte am Mittwoch, 1. Juni 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 3 KR 5/21 R).
Die streitige Werbung war dem Heft 1/2017 der kostenlosen Mitgliederzeitschrift der in Hamburg ansässigen Krankenkasse beigelegt. Darin versprach DocMorris Neukunden für die Einsendung eines Rezepts einen „Rezeptbonus“ von zwei bis zwölf Euro und einen „Kennenlern-Vorteil“ von 5 Euro.
Das war auch dem Hamburger Apothekerverein nicht entgangen. Er hielt die Werbebeilage für unzulässig und klagte auf Unterlassung. Dagegen wehrte sich die DAK mit dem Hinweis auf eine Notiz im Impressum, wonach Anzeigen und Beilagen „keine Empfehlungen“ seitens der Krankenkasse seien.
Anders als die Vorinstanzen folgte das BSG dem nicht. Es verpflichtete das BSG zur Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten.
Zur Begründung verwies das oberste Sozialgericht auf das gesetzliche „Beeinflussungsverbot“. Danach dürften die Krankenkassen ihre Versicherten nicht dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern einzulösen. Dies sei zwar erst am 20. Oktober 2020 klarstellend in das Sozialgesetzbuch eingefügt worden, habe entsprechend aber auch schon vorher gegolten. Die Regelung solle unter anderem die freie Apothekenwahl und die „Neutralitätspflicht der Krankenkassen im Apothekenwettbewerb“ sichern.
Dabei sei die Neutralitätspflicht nicht erst dann verletzt, wenn Krankenkassen „selbst und gezielt ihre Versicherten auf eine bestimmte Apotheke hinweisen“. Eine Werbebeilage wie hier die von DocMorris reiche aus.
Dass ortsansässige Apotheken in gleicher Weise in der bundesweiten Mitgliederzeitung werben können, sei „ausgeschlossen“, betonte das BSG. Die DAK habe hier eine Auswahlentscheidung getroffen, die zudem in ihrem wirtschaftlichen Eigeninteresse liege. „Dies rechtfertigt es, der Krankenkasse die Werbebotschaft der Versandapotheke zuzurechnen.“
Das Argument der DAK, dass verständige Leser die Werbebeilage nicht als Empfehlung ihrer Krankenkasse verstehen würden, ließ das BSG nicht gelten. Entscheidend sei die gesetzliche Pflicht der Krankenkassen zur Neutralität.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock