ARBEITSRECHT
Kündigungsschutz im Kleinbetrieb: Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte
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Der Beklagte ist Inhaber einer KFZ-Lackiererei mit bisher fünf Arbeitnehmern. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem damals 52 Jahre alten, seit 1980 beschäftigten Kläger fristgemäß zum 30. September 1998. Die vier anderen Lackierer beschäftigte er weiter, darunter seinen ledigen Sohn, der jünger und kürzer als der Kläger beschäftigt ist, sowie einen 1962 geborenen, seit 1993 beschäftigten ledigen Arbeitnehmer.
Der Kläger hält die Kündigung gemäß §§ 242, 138 BGB für unwirksam. Er meint, unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte hätte der Beklagte nicht ihm, sondern einem der anderen Arbeitnehmer kündigen müssen. Der Beklagte hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wirtschaftlichen Gründen ausgesprochen worden, um eine effektive Fortführung des Betriebes zu gewährleisten und anderen Arbeitnehmern nicht kündigen zu müssen. Bei der Auswahl des Klägers hätten auch soziale Gesichtspunkte eine Rolle gespielt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Auf die Revision des Klägers hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Ob die Kündigung nach § 242 BGB rechtsunwirksam ist, läßt sich mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen noch nicht abschließend entscheiden.
Auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, hat im Fall der Kündigung ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97, 169). Eine Kündigung, die dieser Anforderung nicht entspricht, verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist deshalb unwirksam.
Ist bei einem Vergleich der grundsätzlich vom Arbeitnehmer vorzutragenden Sozialdaten evident, daß dieser erheblich sozial schutzbedürftiger ist als ein vergleichbarer weiterbeschäftigter Arbeitnehmer, so spricht dies zunächst dafür, daß der Arbeitgeber das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer acht gelassen hat und deshalb die Kündigung treuwidrig (§ 242 BGB) ist. Setzt der Arbeitgeber dem schlüssigen Sachvortrag des Arbeitnehmers weitere (betriebliche, persönliche etc.) Gründe entgegen, die ihn zu der getroffenen Auswahl bewogen haben, so hat unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Abwägung zu erfolgen. Es ist zu prüfen, ob auch unter Berücksichtigung der vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe die Kündigung die sozialen Belange des betroffenen Arbeitnehmers in treuwidriger Weise unberücksichtigt läßt. Der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers im Kleinbetrieb kommt bei dieser Abwägung ein erhebliches Gewicht zu.
Diesen Grundsätzen hat die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend Rechnung getragen. Vergleicht man die Sozialdaten des Klägers mit denen des 1962 geborenen, seit 1993 beschäftigten Arbeitnehmers, so ist der Kläger evident sozial schutzbedürftiger. Der Senat hat daher den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit Feststellungen zu den Gründen des Arbeitgebers für die getroffene Auswahl nachgeholt werden können.
BAG, Urteil vom 21. Februar 2001 - 2 AZR 15/00 -
Vorinstanz: LAG Berlin, Urteil vom 3. September 1999 - 7 Sa 1006/99 -