NACHBARSCHAFTSRECHT
Laub, Wurzeln, Zweige - Unterlassungsanspruch?
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Entscheidungsgründe
(Auszug)
Die Klägerin macht Ansprüche nach § 1004 BGB geltend. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa NJW 1995, 2633) ist der Tatbestand des § 1004 BGB nicht erfüllt, wenn die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückzuführen ist. Um solche Beeinträchtigungen handelt es sich, soweit die Klägerin Maßnahmen gegen überhängende Äste und Zweige, vordringendes Wurzelwerk und Laubfall fordert.
Ausnahmsweise können die Voraussetzungen des § 1004 BGB gleichwohl erfüllt sein, wenn die Beeinträchtigungen mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder der ihn gleichgestellten Personen zurückzuführen sind oder eine Rechtspflicht besteht, gegen die Beeinträchtigungen vorzugehen.
Eine Fallgestaltung, wonach die Beeinträchtigungen mittelbar auf den Willen der Beklagten zurückzuführen seien, liegt nicht vor. Inwieweit dagegen eine Pflicht zum Vorgehen gegen Beeinträchtigungen besteht, ist mangels vertraglicher Vereinbarungen der gesetzgeberischen Wertung zu entnehmen, wie sie sich in § 910 Abs. 2 BGB niedergeschlagen hat. Nach dieser Vorschrift kann eine Rechtspflicht zum Handeln nur hinsichtlich von Zweigen und Wurzeln bestehen, nicht aber gegen Laubfall. Von ihm ausgehende Beeinträchtigungen sind daher hinzunehmen. Den zum Beleg für den Umfang des Laubfalls angebotenen Beweisen brauchte daher nicht nachgegangen zu werden.
Hinsichtlich der überhängenden Zweige mag der Klägerin zwar zugestanden werden, daß es für die Begründung ihres Anspruchs nicht nur auf die beim Augenscheinstermin vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse ankam. Im Hinblick auf § 910 Abs. 2 BGB hätte es ihr jedoch oblegen, die Voraussetzungen für eine erhebliche Beeinträchtigung darzutun und ggf. unter Beweis zu stellen. Dem hat sie nicht genügt. Es ist allgemein bekannt, daß Hainbuchenhecken im Regelfall in der Vegetationsphase ein starkes Wachstum aufweisen. Von daher ist zu unterstellen, daß vor dem jeweiligen Schneiden der Hecke, das die Beklagten nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ... zweimal pro Jahr vornehmen, Zweige über die Grundstücksgrenze auf das Anwesen der Klägerin ragten. ... Dieses Hinüberwachsen löst aber einen Anspruch nach§ 1004 BGB erst aus, wenn die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist. Hierfür fehlt ein substantiierter Vortrag der Klägerin. Er ergibt sich auch nicht aus den ... vorgelegten Lichtbildern. Die dort wiedergegebenen Beeinträchtigungen sind auch unter dem Gesichtspunkt des nachbarschaftlichen Verhältnisses hinzunehmen.
Zu den Beeinträchtigungen durch den behaupteten Wurzelüberwuchs stellt die Klägerin erkennbar nur Mutmaßungen auf. Der Augenschein hat keinerlei Anhaltspunkte für Beschädigungen am Zaunfundament bzw. an der Komposteranlage ergeben. Die Behauptung, daß trotz dieses Ergebnisses der oberflächlichen Begutachtung nichts über die Intaktheit des Fundaments ausgesagt sei, erfolgt nur "ins Blaue hinein". Das Erholen eines Sachverständigengutachtens zum Zustand des Fundaments war daher als reiner Ausforschungsbeweis entbehrlich. ....
Obwohl es für die Entscheidung hierauf nicht mehr ankommt, sei abschließend darauf verwiesen, daß der Klageantrag 1. gegen den Beklagten zu 1) bereits deshalb unbegründet ist, weil er insoweit nicht Störer im Sinne von § 1004 BGB sein kann. Mit der Übertragung seines Eigentums an dem "störenden" Grundstück auf die Beklagte zu 2) hat der Beklagte zu 1) die rechtlich abgesicherte Möglichkeit verloren, über die störende Sache zu verfügen und auf sie einzuwirken. Damit entfällt eine Haftung (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 59. Auflage, § 1004, Rd. 21).
Oberlandesgericht Nürnberg,
Urteil vom 13.6.2000, Az. 3 U 412/00