ARBEITSRECHT
Leiharbeit oder Gemeinschaftsbetrieb - gefährliche Fehler bei der Abgrenzung
Autor: Rechtsanwalt Alexander Bredereck - Rechtsanwalt
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 17.03.2015, Aktenzeichen 1 Ca 174/14.
Ausgangslage:
Verträge zur Überlassung von Leiharbeitnehmern zwischen Verleiher und Entleiher sind nur dann wirksam, wenn der Verleiher über die erforderliche staatliche Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern verfügt. Andernfalls führt die Unwirksamkeit solcher Verträge dazu, dass kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer fingiert wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, wann ein Fall genehmigungspflichtiger Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Arbeiten zwei Unternehmen zusammen in einem Gemeinschaftsbetrieb, würde es sich nämlich nicht um eine solche Arbeitnehmerüberlassung handeln. Die Abgrenzung kann im Einzelfall durchaus problematisch sein und hohe Risiken für die beteiligten Firmen mit sich bringen.
Fall:
Der Kläger war zunächst bei der Tochtergesellschaft eines Busunternehmens befristet als Busfahrer beschäftigt. Der Kläger wehrte sich zunächst erfolglos gegen die aus seiner Sicht unwirksame Befristung. Anschließend nahm er die Muttergesellschaft ins Visier und klagte auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dieser. Er berief sich darauf, dass die Tochtergesellschaft überhaupt keinen eigenen Busbetrieb und auch keine eigenen Betriebsmittel habe. Die zuletzt beklagte Muttergesellschaft hielt dem entgegen, dass eine Erlaubnis zum Einsatz des Busfahrers bei der Muttergesellschaft nicht erforderlich sei, da beide Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb bildeten.
Urteil
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat der Klage des Busfahrers stattgegeben. Das Arbeitsgericht: Ein Busunternehmen, das ausschließlich bei ihm angestellte Busfahrer an ein anderes Unternehmen zur dortigen Arbeitsleistung zur Verfügung stellt, ohne damit eine eigene Dienst- oder Werkleistung zu erbringen, ist Verleiher im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.
Einen die Anwendung des Leiharbeitsrechts ausschließenden Gemeinschaftsbetrieb zwischen beiden Unternehmen hat das Arbeitsgericht nicht angenommen. Die Beteiligung des Tochterunternehmens an dem von der Beklagten behaupteten Gemeinschaftsbetrieb hat sich lediglich auf das Zur-Verfügung-Stellen von Busfahrern beschränkt. Eine darüber hinausgehende erforderliche unternehmerische Zusammenarbeit zwischen beiden Unternehmen hat nach Überzeugung des Gerichtes nicht stattgefunden.
Die Beklagte hat Berufung beim Landesarbeitsgericht in Hannover eingelegt.
Bewertung:
Im Einzelnen dürfte es tatsächlich auf die Faktenlage ankommen. Wenn die Tochtergesellschaft tatsächlich nichts weiter machte als Busfahrer für die Muttergesellschaft zur Verfügung zu stellen, dürfte ein Gemeinschaftsbetrieb tatsächlich fraglich sein. Die Prüfung hat immer auch unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Umgehung der zwingenden gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Der Arbeitgeber lebt bei solchen Konstellationen durchaus gefährlich. Es empfiehlt sich hier immer, diese arbeitsrechtlich überprüfen zu lassen und sich in der Praxis dann auch an die abgesendeten Strukturen zu halten. Andernfalls kann es gerade in Krisensituationen und bei notwendigen Kündigungen zu bösen Überraschungen kommen. Das zeigt der vorliegende Fall sehr gut. Hätte die Muttergesellschaft einen wirksam befristeten Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer, wäre der Arbeitsvertrag mit der Tochtergesellschaft bei Bestätigung des Urteils auch in der Berufungsinstanz unbefristet. Darauf hat das Arbeitsgericht bereits (zu Recht) hingewiesen.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Leiharbeitnehmer sollten bei einer Kündigung oder bei einer ablaufenden Befristung immer auch ein mögliches Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher prüfen. Auch wenn mit dem Verleiher eine Befristung wirksam vereinbart wurde, bzw. eine Kündigungsschutzklage geringe Erfolgsaussichten bietet, kann dies beim Entleiher ganz anders aussehen. Wenn Verleiher und Entleiher fälschlicherweise davon ausgehen, dass es sich nicht um eine genehmigungspflichtige Leiharbeit handelt, werden sie auch nicht über die erforderliche Erlaubnis verfügen. Entsprechend kann dann wie im vorliegenden Fall gerichtlich das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher erfolgreich geltend gemacht werden.
Berlin, den 13.4.2015
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