FAMILIENRECHT
Lesbisches Paar muss nach privater Samenspende Vater dulden
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Stuttgart (jur). Spendet privat ein Mann zur Zeugung eines Kindes per „Bechermethode“ seinen Samen an ein verheiratetes lesbisches Paar, kann er später für sich die Vaterschaft feststellen lassen. Nur wenn ein Kind mittels einer Samenspende aus einer Samenbank und künstlicher Befruchtung gezeugt wurde, kann der Samenspender nicht als Vater festgestellt werden, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem am Dienstag, 24. Mai 2022, veröffentlichten Beschluss (Az.: 11 UF 39/22).
Im konkreten Fall ging es um ein verheiratetes lesbisches Paar aus Baden-Württemberg. Um ihren Kinderwunsch erfüllen zu können, erklärte sich der Antragsteller zu einer privaten Samenspende bereit. Im Januar 2019 übergab er einer der Frauen eine Samenspende in einem Becher, damit diese eine Befruchtung vornehmen konnte.
Alle waren sich einig, dass der auf diese Weise gezeugte Junge bei der Mutter und ihrer Ehefrau aufwachsen sollte. Der Mann ging davon aus, dass er die Vaterschaft und die Vaterrolle übernehmen sollte. Nach der Geburt des Jungen habe die Mutter aber ihre Meinung geändert und die Adoption des Kindes durch ihre Ehefrau angestrebt. Die Mutter widersprach und meinte, dass die Adoption von Anfang an klar abgesprochen worden sei.
Bis Anfang Januar 2020 hatte der Vater den Jungen einige Male gesehen. Seitdem lehnte das Ehepaar den Kontakt ab. Gerichtlich wollte der Mann in einem separaten Verfahren den Umgang mit seinem Sohn erzwingen. Das Ehepaar wollte dagegen die Adoption des Kindes durchsetzen.
Der Mann beantragte die Feststellung der Vaterschaft. Dem kam das zuständige Familiengericht nach. Laut Abstammungsgutachten sei er zu 99,99999 Prozent der biologische Vater des Kindes ist. Das Gericht verwies zudem auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Oktober 2018, wonach ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen Ehe nur eine Mutter haben kann (Az.: XII ZB 231/18; JurAgentur-Meldung vom 30. Oktober 2018). Die lesbische Ehefrau habe nur die Möglichkeit, das Kind zu adoptieren, um neben der Kindsmutter ebenfalls die rechtliche Elternschaft übernehmen zu können, so der BGH. Für die Adoption ist aber regelmäßig die Zustimmung der biologischen Eltern notwendig.
Im aktuellen Streit hielt die Mutter des Kindes dies für verfassungswidrig. Gleichgeschlechtliche Ehepaare würden benachteiligt. Anders als ein mit der Mutter verheirateter Mann habe eine Ehefrau der Mutter keine Elternstellung und könne nur im Wege der Adoption Mit-Mutter werden. Das OLG Celle und das Kammergericht Berlin hätten außerdem entsprechende Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt, worüber aber noch nicht entschieden worden sei (OLG Celle vom 24. März 2021, Az.: 21 UF 146/20; JurAgentur-Meldung vom Entscheidungstag, sowie Kammergericht Berlin vom 24. März 2021, Az.: 3 UF 1122/20). Zudem sehe die derzeitige Bundesregierung eine Gesetzesänderung vor. Bis dahin müsse das aktuelle Verfahren ausgesetzt werden.
Das OLG entschied in seinem Beschluss vom 7. April 2022, dass bei einer privaten Samenspende die Feststellung der Vaterschaft gesetzlich nicht ausgeschlossen sei. Dies sei nur bei Kindern der Fall, die mittels einer anonymen Samenspende aus einer Samenbank und mit ärztlich unterstützter künstlicher Befruchtung gezeugt wurden. Darauf bezögen sich auch die Vorlagebeschlüsse des OLG Celle und des Kammergerichts Berlin. Bei einer anonymen Samenspende sei die Besetzung des zweiten Elternteils nicht möglich. Anders sehe dies bei einer privaten Samenspende aus. Hier seien die biologischen Eltern bekannt.
Auf das verfassungsrechtliche Elternrecht könnten sich außerdem nur Personen berufen, „die in einem durch Abstammung oder durch einfachgesetzliche Zuordnung begründeten Elternverhältnis zum Kind stehen“. Dies sei bei der Ehefrau der Mutter nicht der Fall. Sie sei weder leiblich noch rechtlich Elternteil des Kindes, so dass sie vom Schutz des Grundgesetzes nicht erfasst sei.
Das Paar könne auch keine Aussetzung des Verfahrens verlangen. Eine Aussetzung wegen eines zu erwartenden Gesetzes sei „im Regelfall nicht zulässig". Doch auch eine Aussetzung wegen eines beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens und einer möglichen, später notwendig gewordenen Gesetzesänderung komme nicht in Betracht. Denn der antragstellende Vater habe ein Recht darauf, „dass das Verfahren innerhalb angemessener Zeit unter Geltung der jetzigen Rechtslage entschieden wird“, so das OLG.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock