ARBEITSRECHT
Marquardt streicht 150 Stellen am Stammsitz in Rietheim – Was betroffene Arbeitnehmer jetzt wissen müssen
Autor: Dr. jur. Jens Usebach, LL.M. - Rechtsanwalt
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Das Traditionsunternehmen Marquardt mit Hauptsitz in Rietheim-Weilheim (Baden-Württemberg) hat angekündigt, im Laufe des Jahres 2025 rund 150 Arbeitsplätze abzubauen – ein drastischer Einschnitt, der etwa zehn Prozent der Belegschaft am Stammsitz betrifft. Aktuell beschäftigt der Mechatronikspezialist dort rund 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Als Gründe für den Stellenabbau nennt das Unternehmen unter anderem eine rückläufige Auftragslage, sinkende Umsätze, gestiegene Betriebskosten und geopolitische Unsicherheiten. Diese Entwicklungen hätten die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens zunehmend unter Druck gesetzt. Laut Unternehmenssprecher Ulrich Schumacher sei der Personalabbau eine Reaktion auf die veränderten Marktbedingungen und Teil einer notwendigen strukturellen Anpassung.
Der Fokus des geplanten Stellenabbaus liegt auf sogenannten indirekten Unternehmensbereichen, also Abteilungen, die nicht direkt in die Produktion eingebunden sind – etwa Verwaltung, Controlling oder Forschung und Entwicklung. Die Produktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sollen hingegen von den Maßnahmen nicht betroffen sein.
Marquardt hat bereits Gespräche mit dem Betriebsrat aufgenommen. Ziel sei es, sozialverträgliche Lösungen zu erarbeiten. In der Diskussion sind unter anderem freiwillige Aufhebungsverträge, Vorruhestandsregelungen oder der Einsatz von Transfergesellschaften. Konkrete Ergebnisse liegen bislang jedoch noch nicht vor. Unternehmenssprecher Schumacher betonte, dass man die Beschäftigten in dieser schwierigen Phase transparent informieren und unterstützen wolle.
Auch der Vorstandsvorsitzende Björn Twiehaus äußerte sich zu den bevorstehenden Einschnitten. Er sprach von einer schmerzhaften, aber wirtschaftlich notwendigen Entscheidung. Twiehaus hatte Anfang 2025 die operative Leitung von Harald Marquardt übernommen, der das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg geprägt hatte. Die Personalmaßnahme sei – so Twiehaus – das Ergebnis einer sorgfältigen Prüfung aller Alternativen und diene der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Trotz der Stellenstreichungen bekennt sich Marquardt weiterhin zum Standort Deutschland. Das Unternehmen investiert nach eigenen Angaben in technologische Zukunftsfelder wie Elektromobilität und digitale Bedienlösungen – sowohl im Inland als auch international. Neben Werken in Indien und Tunesien wurde zuletzt auch ein neuer Standort am Erfurter Kreuz in Betrieb genommen.
Im Jubiläumsjahr 2025 – Marquardt feiert 100-jähriges Bestehen – steht das Unternehmen damit im Spannungsfeld zwischen Tradition und Transformation. Die Personalmaßnahmen markieren einen weiteren Schritt auf dem Weg durch die wirtschaftlichen Herausforderungen der Automobil- und Zulieferindustrie.
Für die betroffenen Beschäftigten bedeutet die Ankündigung jedoch vor allem eines: Unsicherheit. Wer bereits eine Kündigung erhalten hat oder eine solche befürchtet, sollte nun umgehend aktiv werden – denn es gibt zahlreiche arbeitsrechtliche Schutzmechanismen, die greifen können.
So ist eine Kündigung keineswegs immer wirksam. Zahlreiche Fehler – etwa eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats, eine fehlerhafte Sozialauswahl oder formelle Mängel wie eine fehlende Schriftform – können zur Unwirksamkeit führen. Wichtig ist: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 KSchG). Nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung automatisch als wirksam, selbst wenn sie rechtswidrig war.
Betroffene sollten außerdem wissen, dass der Betriebsrat Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte hat. Wird er nicht korrekt beteiligt, ist die Kündigung in der Regel unwirksam. Arbeitnehmer haben das Recht, sich bei Fragen direkt an den Betriebsrat zu wenden.
Bei größeren Umstrukturierungen – wie im Fall Marquardt – sind Arbeitgeber zudem verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln (§§ 111 ff. BetrVG). Daraus können sich Abfindungsansprüche, Qualifizierungsmaßnahmen oder ein Vorrang bei interner Stellenvergabe ergeben. Arbeitnehmer sollten aktiv nachfragen, ob ein solcher Sozialplan bereits besteht oder verhandelt wird.
Auch für betriebsbedingte Kündigungen gelten hohe rechtliche Anforderungen: Der Arbeitsplatz muss tatsächlich weggefallen sein, eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen darf nicht möglich sein und die Sozialauswahl muss ordnungsgemäß erfolgen. Wenn zeitgleich Arbeitsplätze im Ausland geschaffen werden, ist zu prüfen, ob der Stellenabbau im Inland wirklich erforderlich war.
Betroffene Arbeitnehmer sollten sich daher nicht auf mündliche Zusicherungen oder allgemeine Informationen verlassen, sondern rechtzeitig arbeitsrechtlichen Rat einholen. Häufig bieten spezialisierte Fachanwälte eine kostenlose Ersteinschätzung an. Auch Gewerkschaften können unterstützen.
Fazit: Wer von einer Kündigung betroffen ist oder eine solche befürchtet, sollte seine Rechte kennen – und aktiv werden. Frühzeitige rechtliche Beratung kann den Arbeitsplatz retten oder zumindest zu einer deutlich besseren Abfindung führen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist das Wissen um die eigenen Rechte ein entscheidender Vorteil.
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Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321