SOZIALRECHT
Mehr Pflegegeld bei Ernährung durch Venen-Infusionen
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Kassel (jur). Der Aufwand für die sogenannte parenterale Ernährung Pflegebedürftiger durch Infusionen direkt in eine Vene kann zu mehr Pflegegeld führen. Die hierfür aufgewandte Zeit ist bei der Pflegeeinstufung mit zu berücksichtigen, wie am 8. Oktober 2014 das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied (Az.: B 3 P 4/13 R).
Damit hat ein heute 14-jähriger Junge aus Rheinland-Pfalz Aussicht auf mehr Geld von der Pflegeversicherung. Im Alter von vier Jahren waren bei ihm immer wieder die Zellen ganzer Darmteile abgestorben. Diese sogenannte Darmnekrose musste mehrfach operiert werden. Weil sein Darm nun nur noch sehr kurz ist, nimmt er kaum noch Nährstoffe auf.
Daher nimmt der Junge täglich acht bis zwölf kleine Mahlzeiten zu sich. Über Nacht wird er zusätzlich über einen dauerhaft in die Vene eingeführten beweglichen Silikon-Katheter ernährt.
Seit Dezember 2009 bezahlt die Pflegekasse Pflegegeld nach Pflegestufe I. Die Zeit, die die Mutter für die intravenöse Ernährung aufwendet, wurde dabei allerdings nicht berücksichtigt. Die Pflegekasse meint, die parenterale Ernährung sei keine normale Ernährung und gehöre daher nicht zur Grundpflege. Es handele sich vielmehr um medizinische „Behandlungspflege“, für die die Pflegekassen nicht zuständig seien.
Dem hat das BSG nun klar widersprochen. Zwar würden bei der parenteralen Ernährung der Mund und – anders als bei einer Magensonde – auch die Verdauungsorgane umgangen. „Sie bleibt aber eine Form der Nahrungsaufnahme“, betonten die Kasseler Richter. Nach den gesetzlichen Vorschriften zur Pflegeversicherung seien sie daher „eine verrichtungsbezogene Maßnahme der Grundpflege“.
Nach dem Kasseler Urteil ändert sich daran auch dadurch nichts, dass die parenterale Ernährung – etwa der Sitz des Katheters – regelmäßig durch einen Arzt oder eine Pflegefachkraft überprüft werden muss. Die Pflegekasse habe die Versorgung durch die Mutter „seit Jahren hingenommen“ und deren Qualität nie beanstandet.
Dabei betonte das BSG aber, dass die parenterale Ernährung nicht generell der Grundpflege und damit den Pflegekassen zuzurechnen ist. Gibt es etwa keine Person, die dies zuverlässig übernehmen kann, könne die parenterale Ernährung auch der Behandlungspflege zugerechnet werden. Zuständig für die Finanzierung der Pflegekräfte wären dann die Krankenkassen.
Im konkreten Fall aber sei die parenterale Ernährung der Grundpflege durch die Mutter zuzurechnen. Ob der Junge durch den damit verbundenen Zeitaufwand von der Pflegestufe I in die Pflegestufe II aufrückt, muss nun noch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in Mainz klären.
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