SOZIALRECHT
Ohne deutliche Vorteile bei teuren Hörgeräten gibt es nur Festpreis
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Chemnitz (jur). Damit gesetzliche Krankenkassen oder Rentenversicherungsträger auch für ein eigentlich aufzahlungspflichtiges Hörgerät voll aufkommen, müssen wesentliche Gebrauchsvorteile für den hörbehinderten Versicherten bestehen. Ein lediglich um fünf Prozent verbessertes Sprachverstehen reicht nicht aus, damit die Krankenkasse ein aufzahlungspflichtiges Hörgerät ganz bezahlt, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz in einem am Dienstag, 17. Januar 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: L 9 KR 311/19). Auch für Komfortfunktionen des Hörgerätes müsse die Krankenkasse nicht aufkommen.
Im konkreten Fall ging es um einen hörbehinderten Mann mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70. Er ist Inhaber eines Betriebs im Bereich Gas, Sanitär und Bau. Wegen seiner Schallempfindungsschwerhörigkeit ist er auf zwei Hörgeräte angewiesen. Bei seinem Rentenversicherungsträger hatte er Anfang 2016 die Versorgung mit neuen Hörhilfen beantragt.
Der leitete den Antrag an die Krankenversicherung weiter. Besondere berufliche Anforderungen seien nicht ersichtlich, so dass ein berufsbedingter Mehrbedarf und damit die Zuständigkeit der Rentenversicherung nicht gegeben sei.
Zwischenzeitlich ließ sich der Mann zwei Hörgeräte von seinem Arzt verschreiben, für die seine Krankenkasse aufkommen sollte. Er entschied sich für zwei Hörhilfen nebst Zubehör zum Preis von 6.246 Euro. Die Krankenkasse wollte jedoch nur den festgelegten Festbetrag in Höhe von 1.534 Euro abzüglich des vom Versicherten zu übernehmenden Eigenanteils von 20 Euro übernehmen. Aufzahlungsfreie Hörhilfen seien genauso gut geeignet.
Beim Vergleich der unterschiedlichen Hörgeräte habe sich ergeben, dass die dreimal so teuren Hörhilfe bei dem Versicherten nur zu einem um fünf Prozent besseren Sprachverständnis führten, so die Krankenkasse. Das aufzahlungsfreie Hörgerät sei für den Behinderungsausgleich als technisch gleichwertig anzusehen. Die teurere Variante verfüge nur über Komfortfunktionen, wie etwa eine Bluetooth-Schnittstelle zum Telefonieren mit Mobiltelefonen im Auto.
Auch das LSG lehnte mit Urteil vom 20. Dezember 2022 den Kostenerstattungsspruch für die teureren Hörgeräte ab. Die Krankenkasse habe zu Recht nur den Festbetrag gewährt. Die Versorgung mit Hörgeräten diene hier dem „unmittelbaren Behinderungsausgleich“. Dabei gelte das „Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts“. Die Versorgung mit Hörhilfen werde aber durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Die Hilfsmittel müssten „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein“ und dürften „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“.
Ausgeschlossen sei eine Versorgung mit teuren Hörgeräten, wenn kostengünstigere Hörhilfen ebenfalls geeignet seien. Dabei müssten die Krankenkassen nicht für solche Funktionen aufkommen, die lediglich der Bequemlichkeit und dem Komfort dienten.
Im Streitfall habe der Kläger ein nur um fünf Prozent besseres Sprachverständnis bei den dreimal so teuren Hörgeräten als bei aufzahlungsfreien Hörhilfen. Dem Gebrauchsnutzen stehe damit einem unverhältnismäßig hohen Mehraufwand gegenüber. Auch dass die teuren Geräte für besondere berufliche Anforderungen erforderlich seien und damit eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers auslösten, sei nicht ersichtlich. Allein das Führen von Mehrpersonengesprächen und die Verständigung auf Baustellen könne die Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten nicht rechtfertigen.
Am 24. Januar 2013 hatte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel geurteilt, dass schwerhörige Menschen einen Anspruch auf ein über dem Festpreis liegendes Hörgerät haben, wenn sie dies beruflich brauchen (Az.: B 3 KR 5/12 R, JurAgentur-Meldung vom 5. Juli 2013). Für die Mehrkosten sei dann im Rahmen der beruflichen Rehabilitation der Rentenversicherungsträger zuständig.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock