SOZIALRECHT
Pflegeheimen muss pragmatisch Corona-Hilfen gewährt werden
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Augsburg (jur). Alten- und Pflegeheimbetreibern muss von den Pflegekassen der Ausgleich für Mehraufwendungen und Mindereinnahmen wegen der Corona-Pandemie pragmatisch gewährt werden. Die vom GKV-Spitzenverband vorgesehene Antrags- und Ausschlussfristen sind vom Gesetzgeber so nicht vorgesehen, entschied das Sozialgericht Augsburg in einem am Freitag, 2. September 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: S 10 P 119/21). Dass Einrichtungen bei verpasster Frist von den Leistungen ausgeschlossen werden, sei rechtswidrig.
Der Gesetzgeber hat wegen der besonderen Belastungen für Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unterstützende Maßnahmen bestimmt. So können die Einrichtungen einen finanziellen Ausgleich für Mehraufwendungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erhalten. Dazu können die Anschaffungen für Masken und Schutzkleidung ebenso gehören wie angefallene Personal-Mehrkosten infolge von Überstunden oder Stellenaufstockungen. Aber auch für erlittene Mindereinnahmen können die Einrichtungen einen Ausgleich von der Pflegekasse verlangen, etwa wenn Versicherte wegen einer Covid-19-Erkrankung nicht versorgt werden können.
Laut Gesetz sollen bei der Gewährung der finanziellen Hilfen wegen der „besonderen Herausforderungen“ „pragmatische Lösungen“ getroffen werden. Der GKV-Spitzenverband sollte hierzu das genauere Verfahren bestimmen. Dieser hatte daraufhin festgelegt, dass für die Monate März bis Dezember 2020 ein Antrag auf einen finanziellen Ausgleich bis zum 31. März 2021 gestellt werden muss. Für das Jahr 2021 müssen Anträge bis zum 31. März 2022 erfolgen.
Im konkreten Fall hatte der Betreiber von vier Alten- und Pflegeheimen seinen Antrag auf Erstattung angefallener Aufwendungen und Mindereinnahmen in Höhe von 413.570 Euro für den Zeitraum August bis einschließlich Dezember 2020 erst am 23. Mai 2021 bei der Pflegekasse eingereicht.
Diese lehnte die Zahlung wegen des Fristversäumnisses ab. Ohne Erfolg hatte der Einrichtungsbetreiber darauf hingewiesen, dass innerhalb von drei Monaten kaum solch ein komplizierter Antrag zu schaffen sei. Es müsse ja schließlich alles genau belegt werden. Die Frist zum Ausschluss der Leistungen sei im Gesetz auch nicht vorgesehen.
Dem folgte nun auch das Sozialgericht in seinem Urteil vom 2. Juni 2022. Es sprach dem Einrichtungsbetreiber die beantragte Finanzspritze zu. Im Gesetz sei keine wirksame und klar bestimmte Ausschlussfrist enthalten. Der GKV-Spitzenverband sei auch nur zur Ausgestaltung des Verfahrens ermächtigt worden, nicht aber zur „Festlegung gesetzlich nicht vorgesehener materieller Ausschlussfristen“.
Gegen einen Anspruchsausschluss spreche auch Sinn und Zweck des Gesetzes. Darin werde ausdrücklich auf die besonderen Herausforderungen wegen der Corona-Pandemie und die erforderlichen pragmatischen Lösungen verwiesen. Dem werde die knappe, dreimonatige Ausschlussfrist nicht gerecht. Sachliche Gründe für diese Frist seien ebenfalls nicht erkennbar, so das Sozialgericht.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock