VERSICHERUNGSRECHT
Prestige-Versicherer muss für verseuchte spanische Küste zahlen
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Luxemburg (jur). Spanien kann gegen den Versicherer des 2002 havarierten Öltankers Prestige Forderungen über eine Milliarde Dollar vollstrecken. Einen gegenläufigen Schiedsspruch muss Spanien nicht anerkennen, wie am Montag, 20. Juni 2022, der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied (Az.: C-700/20). Dabei trafen die Luxemburger Richter grundlegende Aussagen zum Verhältnis von Gerichts- und Schiedsverfahren.
Im November 2002 brach der unter der Flagge der Bahamas fahrende Öltanker Prestige nach einem heftigen Sturm in zwei Teile und sank vor der nordspanischen Küste Galiciens. 63.000 Tonnen Schweröl waren ausgelaufen und verseuchten die Küsten Spaniens, Frankreichs und Portugals auf einer Länge von 1.700 Kilometern.
2016 verurteilte ein spanisches Gericht den Kapitän zu zwei Jahren Haft. Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass der Eigentümer und seine Schiffsversicherung gemeinsam haftbar sind. Dabei belief sich die im Versicherungsvertrag vorgesehene Haftung auf höchstens eine Milliarde US-Dollar.
Gestützt auf eine Klausel des Versicherungsvertrags leitete unterdessen der Versicherer, die London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association, ein Schiedsverfahren in London ein. Danach hätte Spanien seine Ansprüche zunächst gegen den Eigentümer der Prestige und zudem Ansprüche gegen den Versicherer in dem Schiedsverfahren geltend machen müssen. Der Oberste Gerichtshof von England und Wales hatte diesen Schiedsspruch 1996 bestätigt, legte den Streit auf Rechtsmittel Spaniens dann aber dem EuGH vor.
Der betonte nun, dass die EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-Verordnung) vom Dezember 2000 Schiedsverfahren ausschließt. Die gegenseitige Anerkennung von Schiedssprüchen sei nicht vorgesehen. Auch dass hier ein Gericht den Schiedsspruch bestätigt habe, führe nicht dazu, dass Spanien dies anerkennen muss.
Ein solches Urteil, das einen Schiedsspruch bestätigendes, könne allerdings grundsätzlich umgekehrt dazu führen, dass die dort obsiegende Partei ein gegenläufiges Gerichtsurteil aus einem anderen EU-Staat nicht anerkennen muss. Voraussetzung sei allerdings, dass dieses Anerkennungsurteil auch ohne das Schiedsverfahren so hätte ergehen können.
Das sei hier aus zwei Gründen nicht der Fall. Zum einen Binde das vertraglich vorgesehene Schiedsverfahren nur die Parteien, also den Schiffseigner und die Versicherung. Spanien als Geschädigter müsse dies nicht akzeptieren.
Zudem sehe EU-Recht immer die Möglichkeit einer Klage am Ort des schädigenden Ereignisses vor. Weil hier dieses Verfahren in Spanien bereits anhängig war und die Brüssel-I-Verordnung zwei parallele Verfahren zum selben Sachverhalt nicht zulasse, hätte ein britisches Gericht ein Verfahren zur Prestige-Havarie gar nicht mehr eröffnen dürfen.
Im Ergebnis bedeutet dies für den Streitfall, dass Spanien den Londoner Schiedsspruch samt Bestätigungsurteil nicht anerkennen muss und versuchen kann, das spanische Haftungsurteil gegen die Versicherung zu vollstrecken.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock