ARZNEIMITTELRECHT
Pro Apotheke eine Tube Diclofenac kostenlos
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Frankfurt/Main. Arzneimittelhersteller dürfen Apothekern eine Verkaufsverpackung von einem nicht verschreibungspflichtigen Schmerzgel mit dem Aufdruck "Zu Demonstrationszwecken" kostenlos abgeben. Aber auch nur eine Packung, entschied das Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main in einem am Mittwoch, 9. März 2022, bekannt gegebenen Urteil (Az.: 6 U 161/15). Hierbei handele es sich um eine geringwertige Zugabe. Diese sei nicht geeignet, den Apotheker in unsachlicher Weise zu beeinflussen.
Umstritten war die Praxis des Generikaherstellers ratiopharm. Dieser hatte an Apotheker in Deutschland „zu Demonstrationszwecken“ 100 Gramm Packungen von einem Schmerzgel mit dem Wirkstoff Diclofenac kostenlos abgegeben – pro Apotheke laut eigener Aussage nur eine Packung.
Vom Konkurrenten Novartis, der das Originalmedikament Voltaren anbietet, wurde argumentiert, dass die Abgabe des Gels als kostenlose Probe nach EU-Recht nicht zulässig sei. Auch nach deutschem Recht liege hier eine unzulässige Werbegabe vor.
Am 11. Juni 2020 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass pharmazeutische Unternehmen Apothekern keine kostenlosen Proben von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Verfügung stellen dürfen, von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln jedoch schon (Az.: C-786/18).
Der Bundesgerichtshof Karlsruhe (BGH) urteilte daraufhin entsprechend. Die Abgabe von Gratismustern von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheker kann eine unzulässige „Zuwendung in Form einer Ware“ im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes sein (Urteil vom 17. Dezember 2020), Az.: I ZR 235/16). Das müsse vom Oberlandesgericht Frankfurt noch einmal überprüft werden.
Das OLG entschied am 10. Februar 2022 und wies die Klage von Novartis ab. Ein ratiopharm-Außendienstmitarbeiter dürfe pro Apotheke kostenlos eine Packung Diclofenac-Gel aushändigen. Es handele sich um eine "geringwertige Kleinigkeit", die als Demonstrationsprodukt gekennzeichnet ist.
Die Tube habe einen Einkaufswert von 5,34 Euro. Der Aufdruck "Zu Demonstrationszwecken" bedeute jedoch, dass sie nicht verkauft werden könne und ihr Wert sei "wesentlich geringer". Daher werde die Grenze von einem Euro nicht überschritten.
Die Richter in Frankfurt bewerteten das Risiko, dass an Kunden die Gratisprobe doch abgegeben werde, als gering. Ein Apotheker hätte in der Regel kein großes Interesse daran, nur einem Kunden ein Musterexemplar zur Verfügung zu stellen. Das OLG stellte fest, dass sich hierdurch eine wirtschaftlich interessante Kundenbindung für den Betrieb nicht aufbauen lasse. Novartis habe nicht widerlegen können, dass es allein darum gehe, Apothekern die Konsistenz und den Geruch des Gels zu präsentieren.
Quelle: © Experten-Branchenbuch.de