WETTBEWERBSRECHT
Pyramidengewinnspiel „MSB“ strafbar - progressive Kundenwerbung in Form von Pyramiden
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Auch Pyramidengewinnspiel „MSB“ strafbar - Verurteilung durch das LG Freiburg wegen progressiver Kundenwerbung rechtskräftig
Der 46-jährige berufslose Angeklagte hatte im Juni 1996 gemeinsam mit einer 27jährigen Gehilfin in Freiburg die Firma Megastarbusiness (MSB) gegründet. Gesellschaftsgegenstand war die Anwerbung von Teilnehmern für das Gewinnspiel „MSB“, eine abgewandelte Form des von der Rechtsprechung als strafbar eingestuften Gewinnspiels „Life“.
Nach der Struktur des „MSB-Gewinnspiels“ erhielt der „Gast“ mit der Zahlung der Investitionssumme von zunächst DM 5.900 (€ 3.016,62) und später DM 6.200 (€ 3.170,01) die Teilnahmeberechtigung beim „MSB-Multi Level Marketing System“ und damit das Recht, als „Gastgeber“ weitere Mitglieder zu werben. Für die ersten drei erfolgreichen Anwerbungen erhielt der „Gastgeber“ jeweils DM 2.000 aus der Investitionssumme des Neumitgliedes. Der restliche Betrag wurde auf die in der oberen Hierarchie ansässigen Teilnehmer verteilt. Ab der dritten gelungenen Anwerbung stieg der „Gastgeber“ automatisch zum sog. „Großunternehmer“ auf, bei weiteren erfolgreichen Engagements konnte sich dieser beim Angeklagten als „Unternehmensberater“ bewerben. Der Angeklagte selbst erhielt neben seinem monatlichen Gehalt von DM 15.000 (€ 7.669,38) zunächst als „Organisationsdirektor“ und ab 1997 als „Regionaldirektor“ weitere Anteile aus den Erlösen der Neuanwerbungen.
In Umgehung zum Gewinnspiel „Life“ wurden bei „MSB“ jedoch die von den Neumitgliedern zumeist nach Seminarveranstaltungen eingezahlten Geldbeträge unmittelbar an die in der „Hierarchie“ zuvor Berechtigten ausbezahlt und nicht zunächst von der Gesellschaft, wie beim Gewinnspiel „Life“, selbst einvernahmt.
Das Landgericht Freiburg hat dieser Abwandlung kein Gewicht beigemessen, den Angeklagten unter Bestätigung eines Urteils der Vorinstanz wegen progressiver Kundenwerbung nach § 6 c des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilung lagen sechs „Werbeveranstaltungen“ im südbadischen Raum im Zeitraum vom 15.12.1997 bis Februar 1998 zugrunde, in welchen Mitglieder unter „Erzeugung von euphorischen Stimmungen“ geworben wurden. Dabei konnten Geldbeträge in Höhe von DM 155.000 (€ 79.250,24) und Sfr 31.200 sichergestellt werden. Außerdem wurden aus früheren Geschäften des Angeklagten Gewinne in Höhe von DM 1.800.000 (€ 920.325,38) eingezogen.
Nach Ansicht des Landgerichts Freiburg erfüllt auch das „MSB-Gewinnspiel“ den Straftatbestand des § 6 c UWG, denn diese Vorschrift diene dem Schutz geschäftlich unerfahrener Personen vor Beteiligungen an Vertriebsmethoden, die schon ihrer Anlage nach ein gefährliches schadensträchtiges Risiko zum Inhalt haben. Auch sei die Veranstaltung von derartigen Gewinnspielen wettbewerbswidrig. So habe es gleich gelagerte Gewinnspiele auf dem Markt (z.B. „Life“, „Jump“, „Diamand“, „Titanic“ etc.) gegeben, so dass Konkurrenz unter verschiedenen Anbietern bestanden habe. Außerdem sei es den geworbenen Mitgliedern vertraglich verboten worden, das „MSB-Gewinnspiel“ außerhalb der vom Angeklagten gegründeten Gesellschaft einzusetzen.
Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil eingelegte Revision hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe nunmehr verworfen und damit die Rechtsauffassung des Landgerichts Freiburg bestätigt. Das Urteil des Landgerichts Freiburg ist damit rechtskräftig.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 15. November 2001, - 2 Ss 113/01 -
Hinweis:
Der Tatbestand des § 6 c UWG wurde durch das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 eingeführt. Durch diese Norm sollen vor allem solche Vertriebsmethoden erfasst werden, die als so genannte „Schneeballsysteme“ als strafwürdiges Unrecht empfunden werden und die von allgemeinen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches (vor allem Betrug: § 263 StGB) auch wegen der ständigen Veränderungen der Spielgestaltung nicht oder nur unzureichend erfasst werden können. Der besondere Vorteil von „MSB“ liegt, wie auch bei anderen ähnlichen Spielen, darin, dass sich der Interessent die von ihm geleistete Investitionssumme durch Anwerbung anderer Personen zurückholen kann und er sich zudem erhebliche Gewinnaussichten verspricht. Dieser Schein trügt jedoch. Je rascher die Progression nämlich ansteigt, desto schwieriger wird die Werbung neuer Teilnehmer. In Wahrheit verdienen nur die Organisatoren und Mitglieder auf der höheren Stufe der Hierarchie, da sie von jedem Vertragsabschluss profitieren.
Dass sog. „progressive Kundenwerbung in Form von Pyramidensystemen“ unter den Tatbestand des § 6 c UWG fällt, hat grundlegend bereits der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22.10.1997 - 5 StR 223/97 - (abgedruckt in: BGHSt 43, 270 ff.) zum Gewinnspiel „Life“ ausgesprochen. Unterschiedlich beurteilt wird jedoch weiterhin die Frage, inwieweit derartige Gewinnspiele ohne echte Warenvertriebskopplung einen wettbewerbsrechtlichen Bezugspunkt haben. Einen solchen hatte das OLG Rostock in einem Beschluss vom 31.03.1998 - Ws 348/97 - (abgedruckt in: NStZ 1998, 467) hinsichtlich des Gewinnspiels „Titan“ verneint und deshalb die Anwendung des § 6 c UWG abgelehnt. Nach Ansicht des OLG Rostock verletzen derartige Gewinnspiele nur die Individualinteressen der angeworbenen Personen. Da es an einem wirtschaftlichen Bezugspunkt außerhalb des Gewinnsystems (z.B. der Verknüpfung mit einem Warenangebot) aber fehle, stelle dies - so das OLG Rostock - keinen Verstoß gegen den „redlichen Wettbewerb“ dar. Anders nun das Landgericht Freiburg und ihm folgend der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe.
Hinweis auf den Gesetzestext:
§ 6 c UWG a.F.:
Wer es im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch andere unternimmt, Nichtkaufleute zur Abnahme von Waren, gewerblichen Leistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder von dem Veranlasser selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Das UWG wurde am 3. Juli 2004 erneuert und der Tatbestand ist jetzt in § 16 Abs. 2 UWG zu finden:
(2) Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.