RECHT ALLGEMEIN
Rechtliche Bewertung von sog. Blitzer - Apps
Autor: Herr Paul Witkowski - Dolmetscher (beeidigt) und Übersetzer (ermächtigt)
Die Verbreitung von sog. Radar – Warn – Apps nimmt stetig zu. Auch in Navigationsgeräten befinden sich bereits eingebaute oder nachgerüstete Warnsysteme. Wie ist diese Praxis rechtlich einzuordnen?
Folgendes wird auf einem der größten deutschen Software-Downloadportale,
www.chip.de, zum Download einer Blitzer App veröffentlicht[1]:
„Das tut die App Blitzer.de für Sie: Mit Hilfe eines penetranten Warntons meldet das Programm, dass sie in der Nähe eines Blitzers sind und zeigt Höchstgeschwindigkeit sowie Blitzertyp an.
Die Informationen dafür bekommt die Anwendung aus einer von Deutschlands größten Datenbanken mit Blitzern, die auch von ihren Benutzern weiter gepflegt wird: So können Sie selbst Blitzer melden. Auch im Ausland brauchen Sie nicht auf die Dienste von Blitzer.de zu verzichten: Dank zuvor geladener Informationen zeigt das Programm hier zumindest alle festen Blitzer an. Die ständige GPS-Verbindung und die Aktualisierung mobiler Blitzer im Fünf-Minuten-Takt ziehen am Akku, weshalb ein Autoladekabel empfehlenswert ist. (...)"
Zur rechtlichen Einordnung:
Das Benutzen und Verwenden solcher Blitzer Apps zieht m.E. kein Bußgeld nach sich, da ein solches Verhalten nach meiner rechtlichen Prüfung nicht unter den einzig in Frage kommenden Tatbestand des § 23 I b StVO zu subsumieren ist.
Die Vorschrift untersagt dem Führer eines Kraftfahrzeugs,
- ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mit sich zu führen,
- das dafür bestimmt ist,
- Verkehrüberwachungsanlagen anzuzeigen oder zu stören.
Satz 2:
Dies gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).
Nach Maßgabe der amtlichen Begründung soll man im Rahmen des § 23 I b StVO differenzieren zwischen Geräten wie „üblichen Rundfunkgeräten, bei denen es sich zwar um technische Geräte handelt, mit denen Informationen über die Standorte von Überwachungsanlagen entgegengenommen werden können, die hierfür aber nicht primär bestimmt sind und solchen, bei denen mindestens eine Komponente speziell der Warnfunktion dient.“[2]
a.) Blitzer Apps nicht vom Wortlaut des § 23 I b StVO erfasst
Der Wortlaut des § 23 I b StVO und auch die amtliche Begründung zur einschlägigen ÄndVO vom 14.12.2011 (VkBl 02, 140, 142) geben in der Tat keine eindeutige Antwort auf diese Frage.
Die beschriebene Download –Option dieser Blitzer Apps spricht m.E. dafür, dass lediglich die Informationen über Standorte von Radaranlagen über eine Datenbank abgefragt und dem Nutzer so zur Verfügung gestellt werden.
Das Anzeigen von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen setzt im engeren Sinn voraus, dass es sich bei den Vorrichtungen für fest installierte Geschwindigkeitsmessanlagen und Rotlichtblitzer, die in der Software einer App registriert sind, tatsächlich um derartige Überwachungsmaßnahmen handelt. Letztlich warnt die App aber nicht vor tatsächlichen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, sondern vor Stellen, an denen laut Informationen aus der Datenbank Überwachungen durchgeführt werden könnten oder zumindest in der Vergangenheit durchgeführt wurden.[3]
Freilich begegnet diese enge Auslegung des Wortlautes Bedenken, die durch die amtliche Begründung untermauert werden, denn demnach
werden nicht nur technische Geräte wie (…) Radarwarngeräte von dem Verbot erfasst, sondern auch weitere technische Lösungen, die einen vergleichbaren Effekt erreichen. Das gilt insbesondere für die Verknüpfung der Warnung vor stationären Überwachungsanlagen mit modernen Zielführungssystemen; die entsprechenden Geräte geben die Warnung ebenfalls automatisiert und ortsbezogen ab.[4]
Aus Satz 2 der Vorschrift („insbesondere“) ergibt sich auch, dass die Nennung der bußgeldbewährten Radarwarn – und Laserstörgeräten nicht enumerativ, sondern nur exemplarisch ist. Der grundlegende Unterschied zu modernen Navigationsgeräten mit „Blitzer – Software“ besteht aber darin, dass diese auf einer anderen Technik basieren als die pönalisierten Radarwarngeräte. Schließlich wird hier die Warnung vor der Überwachungsmaßnahme nicht durch Ortung des Messgeräts als solchem ausgedrückt, sondern durch das vom Gerät koordinierte Zusammenspiel von GPS, Navigationssoftware und Informationen über die Standorte von Anlagen.
Gleichwohl ist unter Juristen lebhaft umstritten, ob auch solche Geräte, die dem Zweck dienen, Überwachungsmaßnahmen anzukündigen, nach dem Sinn des Gesetzes ebenfalls dem Verbot des § 23 I b StVO unterliegen.[5]
Für das Verbot des § 23 I b StVO genügt es einerseits, dass bei Geräten mit verschiedenen Funktionen eine davon speziell zur Anzeige von Verkehrsüberwachungen dient, etwa auch die Ausstattung eines Autoradios oder eines Navigationsgeräts mit einem zur Anzeige von Überwachungsmaßnahmen bestimmten Zusatzgerät.[6]
Bei Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten und der amtlichen Begründung macht § 23 I b StVO daher nur Sinn, wenn man die verbotene Bestimmung der Geräte von ihrer Bauweise ableitet.[7] Dies ist aber bei den Navigationsgeräten mit Warnsoftware gerade nicht möglich. Deshalb muss nochmals auf den Wortlaut der Verbotsnorm zurückgegriffen werden. Naheliegend ist es deshalb, Navigationsgeräte mit Blitzer App - ähnlich wie Autoradios, als Geräte einzustufen - die zwar bedingt geeignet, nicht aber im Sinne des § 23 I b StVO speziell dazu bestimmt sind, Warnungen vor Verkehrsüberwachungsanlagen anzuzeigen.[8] Andernfalls fielen auch Autoradios darunter, soweit in Rundfunksendungen Hinweise auf Standorte konkreter Geschwindigkeitskontrollen erfolgen.
Denn sowohl Rundfunkdurchsagen („Flitzer – Blitzer“) als auch der Blitzer Software ist gemeinsam, dass beide ihre Informationen von außen, also von dritter Stelle erhalten, sei es von Radiohörern oder über extern ausgewerteten Datenbanken.
b.) Rechtsprechung und Zweck des § 23 I b StVO
Die Rechtsprechung hat sich zu der o.g. Problematik noch nicht klar positioniert. Der BGH lässt es sogar offen, ob gegen die Praxis der Rundfunkwarnungen vor „Radarfallen“ und „Blitzern“ rechtliche Bedenken bestehen.[9] Durch die Bekanntgabe des Standorts einzelner Geschwindigkeitskontrollen im Rundfunk liefe die Verbotsnorm des § 23 I b StVO nicht ins Leere, denn dadurch werde dem Fahrzeugführer – anders als durch ein mitgeführtes Radarwarngerät – nicht das Gefühl vermittelt, er könne jederzeit und überall eine Radarkontrolle rechtzeitig erkennen und deshalb insoweit risikolos die Geschwindigkeit überschreiten.[10]
Hintergrund des § 23 I b StVO ist die Überlegung, dass überhöhte Geschwindigkeit nach wie vor die häufigste Unfallursache darstellt. Besitzer von Radarwarngeräten werden in die Lage versetzt, außerhalb der überwachten Stellen mit hoher Geschwindigkeit zu fahren bzw. Rotlichtverstöße zu begehen. Blitzer Apps warnen dagegen nur von den aus der Datenbank bekannten Standorten stationärer Vorrichtungen. Der Benutzer kann sich also nicht in Sicherheit wiegen, vor jeder Verkehrsüberwachungsmaßnahme gewarnt zu werden, weil technologiebedingt die mobilen Überwachungsanlagen nicht angezeigt werden und nicht zwischen aktiven und inaktiven Überwachungsanlagen unterschieden wird.
Fazit:
Zwar sollen GPS gesteuerte Organizer mit Radarwarnsoftware als technische Geräte nach der amtlichen Begründung unter das Verbot aus § 23 I b StVO fallen. Allerdings wird bei dieser Verbotsnorm eine Offenkundigkeit der Bestimmung eines Gerätes zur Warnung unterstellt, die bei Navigationsgeräten mit Blitzer – Apps gerade (noch) nicht gegeben ist. Der technische Fortschritt und die massenhafte Verbreitung der frei verfügbaren Radarwarnsoftware lassen den Schluss zu, dass die Blitzer – Apps in absehbarer Zeit serienmäßig als Hardwarekonstellation in die Navigationsgeräte eingespeist werden. Spätestens dann müsste die Gebrauchsbestimmung des Navigationsgerätes auch nach dem Wortlaut der Norm unter deren Verbot fallen.
Bislang übt sich auch die Rechtsprechung in Zurückhaltung, dies nicht ohne Grund angesichts des schwer nachweisbaren Verstoßes gegen § 23 I b StVO in den Fällen der Blitzer – Apps. Stattdessen wird der Radarwarnsoftware eine der Verbotsnorm ähnliche spezialpräventive Wirkung beigemessen und somit der vom Verordnungsgeber offensichtlich gewollte weite Umfang des § 23 I b StVO reduziert.
Die rechtliche Bewertung dieser Problematik ist untrennbar verflochten mit rechtspolitischer Ausrichtung[11] und ist in Anbetracht der stetigen Entwicklung in der Technologie bei Weitem nicht abgeschlossen.
[1] http://www.chip.de/downloads/Blitzer.de-Android-App_52421095.html
[2] zitiert nach Thiele, NZV 2006, 66, 67.
[3] Thiele, NZV 2006, 66, 67.
[4] Begründung zur ÄndVO vom 14.12.01 (VkBl 02, 140, 142), abgedruckt in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht,
§ 23 StVO Rn.5/6.
[5] pro Verbot Hufnagel, NJW 2008, 621, 622; contra Verbot: Thiele, NZV 2006, 66, 68.
[6] Begr, BRDrucks 751/01.
[7] Thiele, NZV 2006, 66, 68.
[8] a.M. König, in: Hentschel, Verkehrsrecht, § 23 StVO, Rn. 35.
[9] BGH, NJW 2005, 1490.
[10] BGH, a.a.O.; LG Bonn, NJW 1998, 2681.
[11] Eine Stimme aus der Staatsanwaltschaft (Meyer, NStZ 2004, 670 ff.) stuft sogar die entsprechenden Rundfunkdurchsagen zu Radarkontrollen als bußgeldbewährte Handlung nach § 118 OWiG ein.