VERWALTUNGSRECHT
Reiseausweis für Flüchtlinge bei Zweifeln an ihrer Identität?
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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass die Ausstellung eines Reiseausweises an einen anerkannten Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) je nach den Umständen des Einzelfalles versagt werden kann, wenn ernsthafte Zweifel an seiner Identität nicht ausgeräumt werden können.
Die 1999 nach Deutschland eingereisten Klägerinnen (Mutter und Tochter) geben an, aus dem Irak zu stammen; der Schlepper habe ihnen ihre Personalausweise abgenommen. Nach ihrer Anerkennung als Flüchtlinge beantragten sie eine Aufenthaltsbefugnis und einen Reiseausweis nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Ausländerbehörde forderte sie auf, über ihre im Irak lebenden Familienangehörigen Nachweise zu ihrer Identität zu beschaffen. Die daraufhin vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunde und Personalausweise) erwiesen sich als Fälschungen. Nachdem die Beklagte deswegen die Aufenthaltsbefugnis und den Reiseausweis nicht ausstellte, haben die Klägerinnen Klage erhoben, die in den Vorinstanzen erfolglos blieb. Während des Revisionsverfahrens hat ihnen die Beklagte Aufenthaltsbefugnisse erteilt; insoweit hat sich der Rechtsstreit erledigt.
Gegenstand der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts war nur noch, ob die Klägerinnen auch einen Reiseausweis beanspruchen können. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Es hat darauf abgestellt, dass ein Reiseausweis nach Artikel 28 GFK einen nationalen Reisepass ersetzen soll. Der Reiseausweis für Flüchtlinge, der ihnen Reisen in das Ausland ermöglichen soll, hat auch die Funktion, die Identität des Ausweisinhabers zu bescheinigen. Bestehen an der Identität Zweifel, so kann der Anspruch des Flüchtlings auf Ausstellung eines Reiseausweises Einschränkungen unterliegen. Die Ausländerbehörde ist zwar nicht befugt, die im Asylverfahren bejahte Flüchtlingseigenschaft - und damit regelmäßig etwa die Staatsangehörigkeit des Flüchtlings oder das Fortbestehen der Verfolgungsgefahr - selbst zu prüfen. Ergeben sich aber auf Grund neuer Tatsachen oder des Fehlens von geeigneten Dokumenten ernsthafte Zweifel an der Identität des Flüchtlings, so kann die Ausländerbehörde hierzu weitere Nachweise verlangen. Dabei ist allerdings im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob dies - insbesondere wegen der Verhältnisse im Verfolgerstaat - zumutbar ist. Unterbleibt eine zumutbare Mitwirkung und lässt sich die Identität auch nicht auf andere Weise zweifelsfrei klären, so darf die Ausländerbehörde die Ausstellung des Reiseausweises ablehnen. Ist eine Klärung wegen Unzumutbarkeit der Mitwirkung oder trotz der Mitwirkung des Flüchtlings nicht möglich, darf der Reiseausweis hingegen nicht verweigert werden. In der im Reiseausweis enthaltenen Rubrik, auf Grund welcher Unterlagen der Ausweis ausgestellt wird, kann dann allerdings etwa der Vermerk angebracht werden, dass die Personalien auf eigenen Angaben beruhen. Dies ist in der Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz inzwischen auch so vorgesehen.
Da der Verwaltungsgerichtshof nicht geprüft hat, ob den Klägerinnen zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung im November 2002 - vor dem Irak-Krieg - die geforderte Beschaffung von Dokumenten aus dem Verfolgerstaat Irak zumutbar war, musste die Sache an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden. Dieser wird unter Beachtung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze und unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse im Irak über die Klage erneut zu entscheiden haben.
BVerwG 1 C 1.03 – Urteil vom 17. März 2004