SOZIALRECHT
Risiko für Freiberuflern bei Neustart nach Coronapandemie verringert
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Arbeitslosengeld © Symbolgrafik:© Butch - stock.adobe.com
Essen (jur). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen will Freiberuflern die Wiederaufnahme einer pandemiebedingt aufgegebenen Tätigkeit erleichtern und das damit verbundene Risiko absenken. Kündigen sie für den Neustart einen zwischenzeitlich aufgenommenen Job, muss die Bundesagentur für Arbeit jedenfalls einen Härtefall anerkennen, entschieden die Essener Richter in einem am Freitag, 20. Januar 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: L 9 AL 106/22 B ER). Daher sei die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zumindest auf sechs Wochen zu verkürzen.
Der Kläger hatte 1972 erfolgreich eine Eventagentur gegründet. Wegen der coronabedingten Einschränkungen für öffentliche Veranstaltungen musste er diese Tätigkeit im März 2020 einstellen. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, nahm er im Juli 2020 eine abhängige Beschäftigung als Kraftfahrer auf.
Anfang 2022 hoffte er, mit seiner Eventagentur wieder starten zu können. Sein Problem: Bei einem Scheitern konnte er Coronahilfen nur bekommen, wenn die Selbstständigkeit der Hauptberuf ist. Daher kündigte er seinen Fahrerjob zum Monatsende 2022 und meldete sich arbeitslos.
Die Arbeitsagentur hatte zunächst Arbeitslosengeld bewilligt, stellte dann aber eine Sperrzeit von zwölf Wochen fest.
Mit seinem auch bereits schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 1. September 2022 gab das LSG Essen zunächst seinem Eilantrag teilweise statt. Es halbierte die Sperrzeit auf sechs Wochen.
Zwar habe der Antragsteller durch seine Kündigung die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Dabei sei aber schon fraglich, ob dies grob fahrlässig erfolgt sei. Denn nach den damals bekannten Vorgeben habe er im Januar 2022 noch davon ausgehen können, dass er ab März 2022 wieder mit seiner Eventagentur tätig werden kann. Doch auch wenn man angesichts der unsicheren Pandemielage von einer gewissen oder gar groben Fahrlässigkeit ausgehe, sei „die Annahme einer besonderen Härte mit der Folge einer Verkürzung der Sperrzeit auf sechs Wochen geboten“.
Denn der Antragsteller sei vor der Coronapandemie erfolgreich selbstständig tätig gewesen. Im Zeitpunkt seiner Eigenkündigung habe er einen „berechtigten Grund“ gehabt, diese Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Unter diesen Umständen sei die zwölfwöchige Regelsperrzeit „unverhältnismäßig hart“. Auch der Gesetzgeber habe mit verschiedenen Maßnahmen deutlich gemacht, dass er coronabedingte Härten für Selbstständige abfedern wolle.
Im Hauptverfahren will das LSG nun noch prüfen, ob der Kläger einen „wichtigen Grund“ für seine Eigenkündigung geltend machen kann. Wenn ja, würde die Sperrzeit ganz entfallen und die Arbeitsagentur müsste das Arbeitslosengeld auch für die ersten sechs Wochen nachzahlen.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock