SCHADENSERSATZ UND SCHMERZENSGELD
Schulden statt Steuerersparnis
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Zu den Voraussetzungen des Widerrufs eines Immobilienkredits aufgrund eines Haustürgeschäfts
Kurzfassung
Ein Immobilienkredit kann nicht vom Bankkunden widerrufen werden, wenn er sich zur Kreditanbahnung in die Privatwohnung eines Anlageberaters begibt. Dann liegt nämlich kein sogenanntes Haustürgeschäft vor, bei dem der Verbraucher besondere gesetzliche Schutzrechte in Anspruch nehmen kann.
Das entschied das Landgericht Coburg und wies die Klage eines Bankkunden ab, der die gegen sich laufende Zwangsvollstreckung stoppen wollte. Wer fremde Räumlichkeiten zu Vertragsgesprächen aufsuche, könne nicht so leicht überrumpelt werden wie z. B. in seinen eigenen vier Wänden. Das Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) greife deshalb nicht ein.
Sachverhalt
Auf den Zug des allgemeinen Steuerspar- und Immobilienbooms Anfang der 90er Jahre war auch der Kläger aufgesprungen. Er folgte der telefonischen Einladung („cold call“) einer Bekannten und besuchte sie in ihrer Wohnung, um sich allgemein über Geldanlagen beraten zu lassen. Beratungsergebnis: Er kaufte 1991 eine Eigentumswohnung für rund 61.000 € - voll darlehensfinanziert bei der beklagten Bank. Wie bei vielen anderen Privatanlegern auch wurde der Kredit notleidend und die Wohnung schließlich 2002 für knapp 32.000 € zwangsversteigert. An Bankschulden blieben dem Kläger letztendlich 25.000 €. Als die Bank die Gelder eintreiben wollte, widerrief er den Kredit und berief sich auf das HWiG. Schließlich sei die Kreditanbahnung in der Privatwohnung der Bekannten erfolgt.
Gerichtsentscheidung
Eine Argumentation, mit der er beim Landgericht Coburg nicht durchdrang. Das HWiG schütze Verbraucher vor unangemessenen Aquisitionsversuchen in seiner Privatwohnung. Hintergrund der gesetzlichen Regelung sei, dass es dem Kunden meist schwer falle, den sehr oft psychologisch vorgeschulten Verhandlungspartner aus der Wohnung zu weisen. Diese Situation berge in besonderem Maße Überrumpelungsgefahren. Fremde Räume, in die man sich zu Vertragsgesprächen begeben habe, könne man dagegen jederzeit wieder verlassen, ohne unhöflich zu sein. Es fehle daher an einer Haustürsituation.
Fazit
Statt Steuerersparnis und Immobilienbesitz also Schulden – kein Einzelfall in Deutschland.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 24.7.2002, Az: 21 O 108/02; rechtskräftig)
Zur Rechtslage:
Das HWiG eröffnet dem Verbraucher die Möglichkeit, binnen bestimmter Fristen einen Vertrag rückgängig zu machen, zu dem er durch Verhandlungen in einer Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz veranlasst wurde (sog. Haustürsituation). Über das Widerrufsrecht muss er schriftlich belehrt werden – dann beträgt die Widerrufsfrist eine Woche. Fehlt die Belehrung, war der Widerruf bisher auch noch nach Jahren möglich.
Im Zuge der am 1.1.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform wurde das früher eigenständige HWiG in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) integriert. Das Widerrufsrecht soll jetzt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss erlöschen. Bei Haustürgeschäften widerspricht diese kurze Frist allerdings EU-Recht, so dass es wohl vorerst bei der alten Rechtslage bleibt.
Die maßgebliche Norm lautet:
§ 312 BGB [Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften]
(1) Bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher
1. durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung,
2. anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung oder
3. im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen
bestimmt worden ist (Haustürgeschäft), steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu. (...)