FAMILIENRECHT
Schulverweigernde Eltern müssen mit Sorgerechtsentziehung rechnen
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Straßburg (jur). Schulverweigernde Eltern müssen mit einem teilweisen Entzug ihres Sorgerechts und der befristeten Unterbringung ihrer Kinder in ein Kinderheim rechnen. Bei einer angenommenen Kindeswohlgefährdung sind diese Maßnahmen als letztes Mittel gerechtfertigt und stellen keinen Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar, urteilte am Donnerstag, 10. Januar 2019, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg (Az.: 18925/15).
Im konkreten Fall ging es um die Eltern von vier Kindern aus dem südhessischen Ober-Ramstadt. Diese wollten ihre zwischen 1999 und 2005 geborenen Kinder zu Hause unterrichten und verweigerten den Schulbesuch. Sie bestritten den staatlichen Erziehungsauftrag. 2005 meldeten sie erstmals ihre älteste Tochter nicht zur Grundschule an.
Es folgte ein langer Streit mit dem Jugendamt und dem staatlichen Schulamt. Eine verhängte Geldbuße wegen Schulverweigerung zahlten sie zwar, schickten die Tochter aber dennoch nicht zur Schule. Zwischen 2009 und 2011 zogen sie ins Ausland, um der deutschen Schulpflicht zu entgehen. Ihre Odyssee führte sie nach Frankreich, Ungarn und Norwegen, wo sie ihre Kinder von zu Hause aus unterrichteten.
Kindeswohlgefährdung
Als sie 2011 nach Deutschland zurückkehrten, verweigerten sie weiterhin den Schulbesuch ihrer Kinder. Das staatliche Schulamt und das Jugendamt sahen das Kindeswohl gefährdet. Die Kinder würden zu Hause in einer „Parallelwelt“ aufwachsen. Mit der Schulverweigerung werde verhindert, dass die Kinder sich nicht Teil als einer sozialen Gemeinschaft verstehen. Sie könnten soziale Fähigkeiten – wie etwa Toleranz – nicht ausreichend lernen.
Das Familiengericht in Darmstadt entzog daraufhin 2012 den Eltern teilweise das Sorgerecht. Sie durften nicht mehr über den Aufenthalt ihrer Kinder bestimmen und deren Schulangelegenheiten wahrnehmen.
Der Streit eskalierte, so dass die Kinder im August und September 2013 für drei Wochen in ein Kinderheim zwangsweise untergebracht wurden. Die Eltern schickten die Kinder danach doch noch zur Schule. Im Juni 2014 verweigerten sie erneut den Schulbesuch ihrer Kinder.
Unterbringung der Kinder im Kinderheim
Dennoch wurde ihnen vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main das volle Sorgerecht wieder zugestanden, mit dem Hinweis, dass die Kinder keine „alarmierenden“ Bildungslücken aufweisen.
Die Eltern sahen in dem teilweisen Entzug ihres Sorgerechts und der zwangsweisen dreiwöchigen Unterbringung ihrer Kinder in ein Kinderheim ihr Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.
Dem widersprach jedoch der EGMR. Die Straßburger Richter bestätigten damit auch den Erziehungsauftrag des Staates. Hier sei eine Kindeswohlgefährdung befürchtet worden. Die Eltern hätten zudem trotz Geldbußen sich beharrlich geweigert, ihre Kinder in die Schule zu schicken.
Daher sei es gerechtfertigt gewesen, dass der teilweise Sorgerechtsentzug und die befristete Unterbringung der Kinder angeordnet wurden. Die Behörden hätten dabei ausreichend die Interessen der Eltern und der Kinder miteinander abgewogen.
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