Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt zulässig
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Karlsruhe (jur). Behalten sich Gerichte bei der Verurteilung eines Straftäters die Verhängung einer späteren Sicherungsverwahrung vor, stellt dies kein Verstoß gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention dar. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 19. Juli 2012, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 2 BvR 1048/11). Der Zweite Senat billigte damit entsprechende gesetzliche Regelungen.
Allerdings mahnte das Bundesverfassungsgericht erneut das sogenannte Abstandsgebot an. Es besagt, dass sich die an die reguläre Haft anschließende Sicherungsverwahrung deutlich von der Strafhaft abgrenzen muss. Dies hatten die Karlsruher Richter bereits am 4. Mai 2011 in zwei Entscheidungen erstmals entschieden und damit wesentliche Vorschriften zur Sicherungsverwahrung in Deutschland für verfassungswidrig erklärt (Az.: 2 BvR 571/10 und 2 BvR 1152/10).
Im entschiedenen Rechtsstreit war der pädophile Beschwerdeführer zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe wegen schweren Kindesmissbrauchs und versuchter Vergewaltigung verurteilt worden. Da das Landgericht sich kein Bild darüber machen konnte, ob der Verurteilte auch nach seiner Strafhaft noch gefährlich für die Allgemeinheit sein würde, wurde eine Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt ausgesprochen. Auf diese Weise sollte das Verhalten des Straftäters während seiner Haft beobachtet und seine Gefährlichkeit dann nachträglich bestimmt werden. Im November 2010 wurde nach Einholung eines Gutachtens die Sicherungsverwahrung bei dem Mann wegen dessen Gefährlichkeit auch angeordnet.
Der Beschwerdeführer meinte, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung gegen das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Mit der Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt werde er über sein weiteres Schicksal im Ungewissen gelassen. Er müsse zum Zeitpunkt der Verurteilung schon wissen, wie lange er inhaftiert bleibt. Andernfalls werde er zum Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt.
Das Bundesverfassungsgericht stellte jedoch nun in seinem Beschluss vom 20. Juni 2012 klar, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht die Menschenwürde verletzt. Zum Schutz der Allgemeinheit sei die Sicherungsverwahrung bei einer fortdauernden Gefährlichkeit des Straftäters als Präventivmaßnahme notwendig.
Es liege auch keine besondere Belastung psychischer oder physischer Art vor, nur weil der Beschwerdeführer über seine Inhaftierungsdauer im Unklaren gelassen wird. Denn er habe es mit seinem Verhalten selbst in der Hand, ob die Sicherungsverwahrung gegen ihn tatsächlich angeordnet wird. Denn dies hänge entscheidend von seiner Bereitschaft zu einer Therapie ab. Es gebe auch kein allgemeiner Grundsatz, dass der Straftäter „bereits mit der Aburteilung Gewissheit über die tatsächliche Dauer der Freiheitsentziehung haben müsste", so die Karlsruher Richter.
Mit der Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt werde auch nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt. Denn die Unterbringung im Maßregelvollzug werde nur angeordnet, wenn eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht und potenzielle Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden könnten.
Den konkreten Fall verwiesen die Richter jedoch an den Bundesgerichtshof zurück. Dieser muss prüfen, ob bei dem Beschwerdeführer weiterhin eine konkrete Gefahr besteht, schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten zu begehen.
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