EUROPARECHT
Stromzähler in sechs Meter Höhe ist diskriminierend
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Luxemburg (jur). Bringt ein Stromversorgungsunternehmen in einem vorwiegend von Roma bewohnten Stadtteil die Stromzähler in sechs Meter Höhe an, stellt dies grundsätzlich eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar. Selbst wenn erwiesen wäre, dass in dem Stadtteil die Zähler besonders oft manipuliert und beschädigt werden, ist das Anbringen der Stromzähler in dieser Höhe unverhältnismäßig, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag, 17. Juli 2015, in Luxemburg (Az.: C-83/14). Die Maßnahme habe einen „beleidigenden und stigmatisierenden Charakter“.
Geklagt hatte die Inhaberin eines Lebensmittelgeschäfts aus der bulgarischen Stadt Dupnitsa. Sie fühlte sich diskriminiert, weil das örtliche Stromversorgungsunternehmen die Stromzähler in ihrem vorwiegend von Roma bewohnten Stadtteil in einer Höhe von sechs oder sieben Metern an Strommasten und Betonpfeilern anbringt. In anderen Stadtteilen, in denen weniger Roma leben, werden die Zähler in einer Höhe von 1,70 Metern an Häuserwänden oder Zäunen installiert.
Das Stromversorgungsunternehmen begründete die unterschiedliche Behandlung damit, dass in dem von Roma bewohnten Stadtteil die Stromzähler besonders oft beschädigt und manipuliert werden. Es komme zu „zahlreichen illegalen Stromentnahmen“. Daher seien 1999 und 2000 alle Stromzähler ihrer Kunden entsprechend angebracht worden.
Die Klägerin ließ sich davon nicht überzeugen. Sie selbst sei gar keine Roma und werde mit dieser Maßnahme ebenfalls diskriminiert. Sie könne ihren Stromverbrauch nun gar nicht ablesen und kontrollieren.
Das Verwaltungsgericht Sofia-Stadt legte das Verfahren dem EuGH vor und fragte an, ob das Vorgehen des Stromunternehmens die Klägerin nach EU-Recht diskriminiert, auch wenn sie selbst gar keine Roma sei.
Die Luxemburger Richter urteilten, dass die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Menschen, ohne Unterschied von Rasse oder ethnischer Herkunft, anwendbar sei. Auch wenn eine diskriminierende Maßnahme auf eine bestimmte Gruppe zielt, könnten auch andere Personen, die nicht dieser Gruppe angehören, von der Benachteiligung betroffen sein.
Hier spreche einiges für eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Denn die Angaben des Stromunternehmens, dass Roma die Stromzähler manipulierten, beruhe auf „ethnischen Stereotypen oder Vorurteilen“, so der EuGH.
Das bulgarische Verwaltungsgericht müsse nun sämtliche Umstände noch einmal prüfen, ob hier tatsächlich eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt. Grundsätzlich sei aber bei dieser Praxis von einer mittelbaren Diskriminierung auszugehen. Denn das Anbringen der Stromzähler in sechs Meter Höhe beeinträchtige in „erheblich größerem Maße Personen mit Roma-Herkunft“.
Das Stromversorgungsunternehmen sei zwar verpflichtet, die Sicherheit des Stromnetzes und das korrekte Ablesen der Stromzählerstände zu gewährleisten. Dabei könne es auch Maßnahmen gegen illegale Stromentnahmen und Beschädigungen ergreifen. Das hohe Anbringen der Stromzähler sei aber unverhältnismäßig und nicht zulässig. Das bulgarische Verwaltungsgericht müsse daher auch andere, weniger einschneidende Mittel ermitteln.
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