ARBEITSRECHT
„Suggar Daddy“ muss Arbeitszeugnis ausstellen
Autor: Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. - Rechtsanwalt
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Urteil vom 06.06.2019 zum Aktenzeichen 17 Sa 46/19 entschieden, dass ein sogenannter „Suggar Daddy“ seiner „Arbeitnehmerin“ ein Arbeitszeugnis schreiben muss.
Die klagende Frau ist 35 Jahre alt, bezog Grundsicherung für Arbeitssuchende und ist Mutter dreier Kinder im Alter von 19, 12 und 7 Jahren.
Eine frühere Mitarbeiterin des „Suggar Daddy“ erzählte diesem im Sommer 2017, sie habe eine Freundin – die klagende Frau -, die einen älteren Mann als „Sugar Daddy“ suche, der sie finanziell unterstütze, sie biete dafür Geschlechtsverkehr an. Am 5. Juni 2017 schickte sie ihm ein Foto der Klagende Frau über Whatsapp. Er zeigte sich interessiert.
Am 10. Juni 2017 trafen sich die Parteien zusammen mit der ehemaligen Beschäftigten im Café. Nach Behauptung des „Suggar Daddy“ vereinbarten die Parteien, die klagende Frau werde ihn zweimal wöchentlich zu Hause zu einvernehmlichem Sex aufsuchen, und zwar jeweils mittwochs und samstags oder sonntags. Sie solle ihn sporadisch zu gemeinsamen Abendessen mit Freunden sowie zwei- bis dreimal jährlich zu einem Kurzurlaub begleiten.
Die Parteien schlossen einen undatierten als „Teilzeitarbeitsvertrag für Arbeiter und Angestellte ohne Tarifbindung“ bezeichneten Vertrag. Nach § 1 des Vertrages sollte am 1. Juni 2017 ein Arbeitsverhältnis beginnen. Nach § 3 des Vertrages wurde die lagende Frau als teilzeitbeschäftigte Hauswirtschafterin mit den Aufgaben Putzen, Wäschewaschen, Bügeln, Einkauf, Kochen und für sonstige haushaltsübliche Verrichtungen eingestellt. In § 4 des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Bruttovergütung von 460,00 Euro – 10,00 Euro/Stunde. In § 5 wurde die Arbeitszeit auf dreimal wöchentlich vormittags festgelegt. Nach § 6 erwarb die Klagende Frau ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche einen Urlaubsanspruch von 25 Urlaubstagen jährlich.
Soweit die klagende Frau ein „wohlwollendes“ Zeugnis verlangt gaben die Arbeitsrichter der Frau Recht.
Der schriftliche Arbeitsvertrag wurde zwar als Scheingeschäft zu Fall gebracht.
Es wurde jedoch der mündliche Arbeitsvertrag als verbindliche „Sugar-Daddy-Beziehung“ bewertet.
Der Abschluss des Arbeitsvertrags kann nur dahin verstanden werden, dass die klagende Frau einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von monatlich 460,00 Euro erwerben, dafür als Gegenleistung dem „Suggar Daddy“ zu sexuellen Dienstleistungen zur Verfügung stehen sollte, wobei damit nicht nur Geschlechtsverkehr gemeint war, wie die von der klagende Frau an den „Suggar Daddy“ übersandten Fotos zeigen.
Die Arbeitsrichter mussten sich mit der Sittenwidrigkeit eines solchen Arbeitsvertrages beschäftigen.
In der Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob Verträge über entgeltlichen Geschlechtsverkehr nach § 138 BGB sittenwidrig sind.
In dem Prostitutionsgesetz ist die Frage der Sittenwidrigkeit nicht geregelt. § 1 ProstG regelt lediglich, wann ein Entgeltanspruch besteht. Nach § 3 ProstG sind die Weisungsrechte bei sexuellen Dienstleistungen eingeschränkt.
Das Bundessozialgericht hat die Frage, ob § 138 BGB bei Verträgen über sexuelle Dienstleistungen nicht mehr anwendbar ist, offengelassen (BSG 6. Mai 2009 – B 11 AL 11/08 – R), hat aber angemerkt, dass sich dem Prostitutionsgesetz nicht entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber die entsprechende Beschäftigung habe umfassend legalisieren wollen.
Der 3. Strafsenat des BGH hat erkannt, dass § 1 ProstG eine Ausnahmevorschrift zu § 138 BGB ist und die Wirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt trotz Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts bestimme (BGH 18. Januar 2011 – 3 ScR 467/10 – Rn. 4, juris).
Der 3. Zivilsenat des BGH hat dagegen den Einwand der Sittenwidrigkeit gegenüber Entgeltansprüchen für die Erbringung von Telefonsexdienstleistungen selbst, aber auch für die Vermarktung und Vermittlung dieser Dienstleistungen verneint und ausgeführt, § 1 ProstG regle zwar unmittelbar lediglich die Wirksamkeit von Forderungen auf ein Entgelt, das für die Vornahme von sexuellen Handlungen vereinbart worden sei, jedoch ergäben die dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen und der Wandel der Anschauungen in der Bevölkerung, dass Forderungen auf Entgelt für die Erbringung, Vermarktung und Vermittlung von Telefonsexdienstleistungen nicht mehr an § 138 Abs. 1 BGB scheiterten. Könne für die Ausübung der klassischen Prostitution eine wirksame Entgeltforderung begründet werden, gelte dieses erst recht für den sogenannten Telefonsex (BGH 8. November 2007 – III ZR 102/07 – Rn. 13, juris). Er hat deshalb Verträge über die Vermarktung und Vermittlung von Telefonsexdienstleistungen nicht als nichtig angesehen.
Der 1. Zivilsenat des BGH hat ebenfalls die Auffassung vertreten, die Vereinbarungen zwischen Prostituierten und Kunden über die Vornahme von sexuellen Handlungen gegen Entgelt unterfielen nicht mehr dem Verdikt der Sittenwidrigkeit, denn der Gesetzgeber habe mit dem Prostitutionsgesetz einem Wandel in weiten Teilen der Bevölkerung Rechnung getragen, die die Prostitution nicht mehr als schlechthin sittenwidrig ansähen (BGH 13. Juli 2006 – I ZR 241/03 – Rn. 24, BGHZ 168, 314).
Auch das Bundesverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, der Gesetzgeber habe sich bei Erlass des Prostitutionsgesetzes von der Erwägung leiten lassen, dass nach überwiegender Auffassung die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig sei (BVerwG 6. November 2002 – 6 C 16/02 – Rn. 22, juris).
Die Arbeitsrichter stimmen der weiterhin von einer Sittenwidrigkeit des Prostitutionsvertrages ausgehenden Auffassung insoweit zu, als Rechtsgeschäfte, die zu sexuellen Handlungen gegenüber anderen verpflichten oder solche sexuellen Handlungen belohnen, mit der in Art. 1 GG geschützten Menschenwürde und dem in Art. 2 GG geschützten Persönlichkeitsrecht unvereinbar sein können, da die Bereitschaft zu sexuellem Verhalten jederzeit widerrufbar, nicht rechtlich verpflichtend sein darf.
Zu bedenken ist jedoch, dass eine Prostituierte, die sich frei und eigenverantwortlich und unter Abwägung der damit verbundenen Vor- und Nachteile für diese Tätigkeit entscheidet, zu erkennen gibt, dass sie darin keine Verletzung der eigenen Würde sieht.
Damit ist dem Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechtes sowie der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten ausreichend Rechnung getragen, ohne dass es der Nichtigkeit des gesamten Vertrages bedarf.
Da die klagende Frau von ihrem „Suggar Daddy“ ein „wohlwollendes“ Zeugnis verlangte und damit den Wunsch nach einer verständigen und gerechten Beurteilung von Führung und Leistung begehrte und aus §§ 109, 6 Abs. 2 GewO ein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis besteht, verurteilten die Arbeitsrichter den „Suggar Daddy“ dazu ein Arbeitszeugnis für die klagende Frau zu erstellen.