ARBEITSRECHT
Trotz Mindestlohn hohe Anforderungen an tariffähige Gewerkschaft
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Erfurt (jur). Der Streit um die Tariffähigkeit der Gewerkschaft DHV geht in eine neue Runde. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied am Dienstag, dass der Mindestlohn und das Tarifeinheitsgesetz nicht zu niedrigeren Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft geführt haben (Az.: 1 ABR 37/16). Weil in der Vorinstanz das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg davon aber ausgegangen war, muss es die Tariffähigkeit der DHV erneut prüfen.
Die „DHV – die Berufsgewerkschaft“ hat ihren Sitz in Hamburg und ist dem Christlichen Gewerkschaftsbund angeschlossen. Nach eigenen Angaben hat sie 75.000 Mitglieder, DGB-Gewerkschaften gehen dagegen von höchstens 10.000 Mitgliedern aus. Schwerpunkt sind der Handel, Banken und Versicherungen sowie Gesundheitswesen und soziale Dienste. In diesen Bereichen hat die DHV zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen.
Laut mehreren DGB-Gewerkschaften sind die Tarifverträge der DHV unwirksam
Laut Gesetz können Verbände allerdings nur dann wirksam Tarifverträge abschließen, wenn sie hierfür ausreichend mächtig und organisatorisch leistungsfähig sind.
Mehrere DGB-Gewerkschaften, darunter Verdi und IG Metall, sowie die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen sprechen der DHV die Tariffähigkeit ab. Sie habe einen Organisationsgrad unter 0,1 Prozent und sei wegen ihrer geringen Mitgliederzahl nicht mächtig und leistungsfähig genug, um Arbeitnehmerinteressen wirksam zu vertreten. Ihre Tarifverträge seien daher unwirksam.
Das LAG Hamburg hatte der DHV die Tariffähigkeit bestätigt (Beschluss vom 4. Mai 2016, Az.: 5 TaBV 8/15). Es war dabei davon ausgegangen, dass der Mindestlohn und das Tarifeinheitsgesetz zu geringeren Anforderungen an die Schlagkraft einer tariffähigen Gewerkschaft geführt haben. Denn durch den Mindestlohn sei für den Lohn als wichtigstem in Tarifverträgen auszuhandelnden Parameter eine Untergrenze eingezogen worden. Mit dem Tarifeinheitsgesetz habe der Gesetzgeber anerkannt, dass es auch kleinere Gewerkschaften gibt; in Betrieben mit konkurrierenden Gewerkschaften setze sich ohnehin die größere durch.
DHV kann sich nicht auf langjährige Tätigkeit stützen
Dieser Logik folgte das BAG nicht. Durch beide Gesetze hätten sich „die Anforderungen an die Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit“ einer tariffähigen Gewerkschaft nicht verringert. Eine Begründung hierfür gab das BAG zunächst noch nicht.
Auf ihre langjährige Tätigkeit kann sich laut BAG die 1893 gegründete und 1950 wiedergegründete DHV nicht stützen. Denn sie habe in ihrer Geschichte mehrfach ihre Zuständigkeitsbereiche gewechselt und teilweise sogar Tarifverträge außerhalb ihrer satzungsmäßigen Zuständigkeit geschlossen.
Nach diesen Maßgaben soll nun das LAG Hamburg die Tariffähigkeit der DHV erneut prüfen.
Die CGZP ist seit seit ihrer Gründung ebenfalls nicht tariffähig
Mit mehreren Urteilen aus 2010 und 2012 hatte das BAG entschieden, dass die ebenfalls dem Christlichen Gewerkschaftsbund angehörende „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP)“ seit ihrer Gründung 2002 nicht tariffähig war (Beschluss vom 14. Dezember 2010, Az.: 1 ABR 19/10, JurAgentur-Archivmeldung vom 9. April 2010, sowie Beschlüsse vom 22. Mai 2012, Az.: 1 ABN 27/12, 1 AZB 58/11 und 1 AZB 67/11; JurAgentur-Meldung vom 26. Mai 2012). Tausende Mitarbeiter von Leihfirmen mit CGZP-Tarifverträgen konnten daher höhere Löhne entsprechend der Bezahlung im Entleih-Betrieb verlangen.
2013 entschied das BAG, dass die „medsonet – Die Gesundheitsgewerkschaft“ wegen ihrer geringen Mitgliederzahl nie tariffähig war (Beschluss und JurAgentur-Meldung vom 11. Juni 2013, Az.: 1 ABR 33/12). Gleiches gilt nach einer Entscheidung des LAG Frankfurt am Main für die „Neue Assekuranz Gewerkschaft“, die sich über die Zahl ihrer Mitglieder in Schweigen gehüllt hatte (Beschluss und JurAgentur-Meldung vom 9. April 2015, Az.: 9 TaBV 225/14); eine Beschwerde hiergegen hatte das BAG abgewiesen (Beschluss vom 17. November 2017, Az.: 1 ABN 39/15).
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