PRESSERECHT
Umstrittene Abzeichen auf Polizeiuniform während Neonazifestival
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Karlsruhe (jur). Trägt ein Bundespolizist während eines Neonazifestivals auf seiner Uniform private, umstrittene Abzeichen, darf er sich über die Veröffentlichung seines Bildes in der Presse nicht wundern. Beinhalten die Abzeichen Slogans, die zumindest teilweise in der rechten Szene Verwendung finden und macht der Pressebericht die möglichen Sympathien von Polizisten mit rechten Gruppierungen zum Thema, handelt es sich bei der Fotoveröffentlichung um ein zulässiges „Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte“, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag, 28. November 2022, in Karlsruhe veröffentlichten Urteil (Az.: VI ZR 22/21).
Anlass des Rechtsstreits war der Einsatz des klagenden Bundespolizisten auf dem Neonazifestival „Schild- und Schwertfestival“ („SS-Festival“) im sächsischen Ostritz am 22. Juni 2019. Der Beamte hatte dabei auf seiner Uniform zwei private Aufnäher angebracht. Ein Abzeichen zeigte ein Schwert mit Schild und Flügeln sowie der vom Templer-Orden während der Kreuzzüge auf lateinisch propagierte Spuch „Recte Faciendo Neminem Timea“, auf deutsch: „Tue Recht und scheue niemand“.
Das andere Abzeichen zeigte ein griechisches Omega-Zeichen mit Spartanerhelm und gekreuzten Schwertern. Darunter stand der griechische Spruch „Molon Labe“, übersetzt: „Komm und hol sie dir“. Der Spruch geht auf den spartanischen König Leonidas gegenüber seinen Feinden zurück, seine Waffen niederzulegen.
Die Initiative „Rechts rockt nicht“ veröffentlichte auf Twitter ein unverpixeltes Foto des Polizisten. Das Bild zeigte den Beamten erkennbar von der Seite mitsamt dem Schriftzug „Polizei“ auf der Uniform und den beiden Abzeichen. Die Initiative äußerte Zweifel an der Gesinnung des Bundespolizisten.
Die Axel-Springer-Publikationen bild.de und bz-berlin.de nahmen diese Zweifel auf und veröffentlichten einen Artikel über mögliche Sympathien der Polizei mit der rechten Szene. Dabei wurde auch das Polizisten-Foto veröffentlicht.
Nach Bild-Recherchen werde der Spruch „Komm und hol sie dir“ auch von Waffen-Fans in den USA verwendet. In dem Beitrag kamen neben dem früheren Berlin-Bürgermeister Michael Müller ein Polizeisprecher zu Wort, der darauf hinwies, dass die Abzeichen nicht strafbar seien seien.
Der Bundespolizist sah in der Veröffentlichung sein Recht am eigenen Bild verletzt. Es werde der Eindruck einer rechten Gesinnung erweckt, klagte der Beamte.
Sowohl das Oberlandesgericht Naumburg als auch der BGH sahen die unverpixelte Fotoveröffentlichung von der Pressefreiheit gedeckt. Die Veröffentlichung gehöre zur zulässigen Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis, so das Karlsruher Gericht. Der Berichterstattung komme ein „erheblicher Informationswert“ zur Frage zu, inwieweit Polizisten mit rechtsnationalen oder rechtsradikalen Gruppierungen sympathisieren. Dass der namentlich nicht genannte Beamte über eine rechte Gesinnung verfüge, werde nicht behauptet.
Text- und Bildberichterstattung über die umstrittenen Aufnäher seien zudem sachlich gehalten. Der Kläger habe mit den Aufnähern „gewollt Aufmerksamkeit erregt“. Es sei seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben, dass über ihn berichtet wurde. Denn er habe die neutrale Uniform bewusst mit privaten Abzeichen verändert und damit zur Diskussion beigetragen, so der BGH. Sein Recht am eigenen Bild müsse in solch einem Fall gegenüber der Pressefreiheit zurücktreten.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock