STRAFRECHT
Versand eines „Anti-Wehrdienstreportes“ keine unerlaubte Rechtsberatung - Art.1 RBerG
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Dies hat jetzt der 1. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden und damit eine anders lautende Entscheidung des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 7. August 2001 aufgehoben, durch welche der Betroffene wegen vorsätzlicher Besorgung fremder Rechts-angelegenheiten in 170 Fällen zu Geldbußen von insgesamt DM 170.000 (jetzt € 86.919) verurteilt wurde.
In den Jahren 1997/1998 bot der Betroffene in mehreren Publikationen bundesweit Informationen zum Kauf an, auf welche Weise die Ableistung des Wehr- oder Ersatzdienstes vermieden werden kann. Für einen Betrag von DM 550 übersandte er eine 25-seitige Informationsbroschüre (den sog. „Anti-Wehrdienstreport“) und erklärte sich bereit, bei Bedarf Interessenten telefonisch und persönlich zu beraten sowie diesen auf ihren Fall bezogene Schreiben an Behörden zu erstellen.
Soweit es in 146 Fällen lediglich zum Versand der Informationsbroschüre gekommen war, hat der 1. Bußgeldsenat nun das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem Rechtsberatungs-gesetz (RBerG) verneint und den Betroffenen aus Rechtsgründen freigesprochen. In den übrigen 24 Fällen wurde die Sache an das Amtsgericht Waldshut-Tiengen zurückgegeben:
Unter Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit nach Art. 1 § 1 RBerG sei nur eine Tätigkeit zu verstehen, die auf unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegen-heiten gerichtet ist. Erforderlich sei, dass auf die individuelle Fallgestaltung des Ratsuchenden eingegangen werde und nicht lediglich allgemeine Informationen - wie etwa auch in einem Buch möglich - zur Verfügung gestellt würden. Die bloße Übersendung der Informationsbroschüre stelle daher noch keine unerlaubte Rechtsberatung dar, da dort lediglich eine allgemeine Darstellung rechtlicher Möglichkeiten der Wehr- oder Ersatzdienstverweigerung unter Schilderung verschiedener Fallgestaltungen erfolge. Insoweit handle es sich um eine noch nicht bußgeldbewehrte bloße Vorbereitungshandlung. Anders aber, wenn der Betroffene - wie von ihm vertraglich angeboten - weitere Leistungen erbringt, dabei der individuelle Fall zur Sprache kommt und insbesondere dessen rechtlichen Aspekte erörtert werden. Da das Amtsgericht Waldshut-Tiengen die vom Betroffenen in 24 Fällen erbrachten weiteren Leistungen nicht näher aufgeklärt hatte, hat der Senat das Urteil insoweit aufgehoben und zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht zurückgegeben.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2002 - 1 Ss 271/01 -
Auszüge aus dem Gesetzestext:
RBerG Art. 1 § 8
Abs. 1 Ordnungswidrig handelt, wer
(1) fremde Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig besorgt, ohne die nach diesem
Artikel erforderliche Erlaubnis zu besitzen,
(2) ...
Abs. 2 Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro (DM10.000) geahndet werden.
Hinweis:
Nach Art. 1 § 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde betrieben werden, es sei denn der Beratende gehört einer bestimmten Berufsgruppe an, die eine solche Beratung im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vornehmen darf, wie z.B. Rechtsanwälte.
Wichtig: Die Entscheidung des 1. Bußgeldsenates betrifft lediglich die Frage, inwieweit das Verhalten des Betroffenen eine Ordnungswidrigkeit nach dem RBerG darstellt und mit einem Bußgeld durch die zuständige Behörde geahndet werden kann. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass der Betroffene - wie 1997/1998 geschehen - zukünftig wieder Anzeigen aufgeben und darin individuelle Beratungen unter Versand seiner Informationsbroschüre anbieten darf. Da eine entsprechende Werbung das Angebot einer unerlaubten Rechtsberatung enthalten würde, wäre diese nach § 1 des Gesetzes über den unerlaubten Wettbewerb (UWG) sittenwidrig und könnte im Rahmen einer Unterlassungsklage untersagt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 8. 5.1979, 4 U 42/79).