ARBEITSRECHT
Von Alt-Tarifen kommen Betriebserwerber nicht so leicht los
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Luxemburg (jur). Nach der Privatisierung eines öffentlichen Krankenhauses kann sich der Erwerber nur schwer von den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes lösen. Mit einem am Donnerstag, 27. April 2017, verkündeten Urteil bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Ergebnis die deutschen Regelungen, wonach dies nur durch neue Arbeitsverträge oder durch Änderungskündigungen möglich ist (Az.: C-680/15 und C-681/15). Damit zerstreuen sich auch für andere Branchen Arbeitgeber-Hoffnungen, unliebsame Alt-Tarife sogar durch konzerninterne Verkäufe loswerden zu können.
Im konkreten Fall geht es um die Kliniken Langen-Seligenstadt im Landkreis Offenbach. Sie standen früher in Trägerschaft des Landkreises, wurden aber 1995 privatisiert. Seit Mitte 2008 gehören das Krankenhaus und abgetrennte Dienstleistungsbereiche zum privaten Klinikkonzern Asklepios.
Für die Arbeitnehmer galt der Tarif für kommunale Einrichtungen bislang fort, zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Asklepios will dies aber ändern. Dagegen wehren sich ein seit 1978 beschäftigter Hausmeister und Gärtner sowie eine seit 1986 in der Klinik arbeitende Stationshelferin. Ihre Arbeitsverträge sicherten ihnen die Anwendung der jeweils aktuellen Tarife des öffentlichen Diensts zu (sogenannte dynamische Verweisung).
Asklepios räumte ein, dass dies nach deutschem Recht wohl so stimme. Dies sei aber nicht mit EU-Recht vereinbar.
Festgelegte Tarifbindungen können nicht mehr geändert werden
Hintergrund ist ein EuGH-Urteil zu England. Dort kann eine einmal festgelegte Tarifbindung nicht mehr geändert werden. Der EuGH hatte entschieden, dass dies Betriebserwerber unzulässig in ihrer unternehmerischen Freiheit beschränkt (Urteil vom 18. Juli 2013, Az.: C-426/11). In Unternehmerkreisen keimte danach die Hoffnung auf, unliebsame Alt-Tarife durch Verkäufe sogar innerhalb desselben Konzerns loswerden zu können.
Den deutschen Klinik-Fall legte das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem EuGH vor. Dabei verwiesen die Erfurter Richter darauf, dass in Deutschland ein Wechsel des anwendbaren Tarifs durchaus möglich ist – nämlich durch die Einigung auf einen neuen Arbeitsvertrag und zumindest im Grundsatz auch durch eine Änderungskündigung seitens des Arbeitgebers. Wie eine normale Kündigung muss allerdings auch eine Änderungskündigung gerechtfertigt sein.
Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen
Der EuGH betonte nun zunächst, dass EU-Recht zwar nur die Löhne und Arbeitsbedingungen im Zeitpunkt des Betriebsübergangs schützt. Aus der Privatautonomie von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ergebe sich jedoch, dass der Arbeitgeber sich auch darüber hinaus verpflichten kann. Beim Verkauf eines Betriebs gehe daher auch eine dynamische Verweisungsklausel auf den Erwerber über.
Allerdings ziele EU-Recht auf „einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und denen des Erwerbers“ ab. „Hieraus ergibt sich insbesondere, dass der Erwerber in der Lage sein muss, nach dem Übergang die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen“, heißt es in dem Luxemburger Urteil.
Entwicklung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer
Konkret bedeute dies, dass es dem Erwerber möglich sein muss, „seine Interessen wirksam geltend zu machen und die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer bestimmenden Faktoren mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln“.
Ob dies in Deutschland möglich ist, müsse das BAG prüfen. Die Erfurter Richter hatten dies allerdings schon in ihrer Vorlage bejaht.
Vorraussetzungen einer Änderungskündigung
So kann nach deutschem Recht der Arbeitgeber einen neuen Arbeitsvertrag anbieten, der gültig wird, wenn der Arbeitnehmer ihn akzeptiert. Zudem kann er eine Änderungskündigung aussprechen. Diese muss allerdings „sozial gerechtfertigt“ sein, was in der Regel nur bei entsprechenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Zwängen der Fall ist. Allein der Wunsch des Arbeitgebers zur Anpassung der Arbeitsbedingungen dürfte nach bisheriger BAG-Rechtsprechung dagegen für eine Änderungskündigung wohl nicht ausreichen.
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