SOZIALRECHT
Vorzeitige Zwangsrente für Hartz-IV-Bezieher zumutbar
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Kassel (jur). Hartz-IV-Bezieher können ab dem 63. Lebensjahr vorzeitig in die Zwangsrente geschickt werden. Das Jobcenter darf grundsätzlich zum vorzeitigen Rentenantrag auffordern, auch wenn dies dann zu einer Rente mit Abschlägen führt, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 14 AS 1/15 R). Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen seien nicht zu beanstanden. Allerdings dürfe das Jobcenter im Einzelfall „unbillige Härten“ nicht außer Acht lassen, so der 14. BSG-Senat.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen können Hartz-IV-Bezieher aufgefordert werden, vorzeitig in Rente zu gehen. Für einen vorzeitigen Rentenanspruch muss der Arbeitslose mindestens 35 Jahre Beitrags- oder andere anrechenbare „Wartezeiten“ in der gesetzlichen Rentenversicherung aufweisen. Für jeden Monat, mit dem er vorzeitig Rente beansprucht, führt dies zu 0,3 Prozent Abschlägen auf das Altersruhegeld. Wer 2015 im Alter von 63 Jahren vorzeitig in Rente geht, muss danach eine Rentenminderung von neun Prozent hinnehmen.
Im jetzt entschiedenen Fall ging es um einen Langzeitarbeitslosen aus Duisburg, der seit Jahren im Hartz-IV-Bezug stand. Als der Mann 63 Jahre alt wurde, forderte das Jobcenter ihn auf, vorzeitig einen Rentenantrag zu stellen. Schließlich sei er zur „Selbsthilfe“ verpflichtet, um aus seiner Hilfebedürftigkeit herauszukommen.
Der Hartz-IV-Bezieher lehnte die vorzeitige Rentenantragstellung ab. Dies würde seine spätere reguläre Rente von 925 Euro um monatlich 77 Euro mindern. Das Jobcenter beantragte daraufhin selbst die vorzeitige Rente.
Das BSG hielt das Vorgehen des Jobcenters für rechtmäßig. Die gesetzlichen Bestimmungen würden es erlauben, dass Hartz-IV-Bezieher zu einem vorzeitigen Rentenantrag ab dem 63. Lebensjahr aufgefordert werden können. Unterbleibe der Rentenantrag, könne die Behörde diesen selbst stellen.
Auch die Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente stehe dem vorzeitigen Rentenantrag hier nicht entgegen. Danach wäre die Aufforderung zur vorgezogenen Altersrente „unbillig“, wenn der Arbeitslose „in nächster Zukunft“ eine abschlagsfreie Rente beanspruchen kann. Die Praxis der Jobcenter geht hier von zwei bis drei Monaten als Zeitrahmen aus.
„Unbillig“ wäre es auch, wenn sie zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I führen würde oder der Arbeitslose eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Aussicht hat.
Nach der BSG-Entscheidung dürfen Jobcenter es auch nicht außer Acht lassen, wenn ein Hartz-IV-Bezieher mit einer geminderten, vorzeitigen Rente unter den Sozialhilfesatz rutscht. Dies sei hier aber nicht der Fall.
In den nächsten zwei Jahren müssen rund 140.000 Hartz-IV-Bezieher damit rechnen, dass sie zum Antrag auf eine vorzeitige Rente mit Abschlägen gezwungen werden. Diese Angaben machte der Paritätische Gesamtverband in einer aktuellen Stellungnahme im Bundestag. Abgeordnete der Fraktion „Die Linke“ hatten im Ausschuss Arbeit und Soziales am 2. Juli 2015 erfolglos beantragt, die gesetzliche vorzeitige Zwangsverrentung für Hartz-IV-Bezieher abzuschaffen (BT-Drucksache 18/5434). Mehrere Sozialverbände und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hatten dies befürwortet.
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