ARBEITSRECHT
Webasto baut 560 Stellen ab: Arbeitsrechtliche Folgen und Schutzmöglichkeiten für Beschäftigte
Autor: Dr. jur. Jens Usebach, LL.M. - Rechtsanwalt
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Der Automobilzulieferer Webasto SE mit Sitz in Gauting-Stockdorf bei München hat einen weitreichenden Stellenabbau angekündigt, der insgesamt 560 Arbeitsplätze an mehreren deutschen Standorten betreffen wird. Die Maßnahme ist Teil eines umfassenden Restrukturierungsprogramms, mit dem das Unternehmen auf die derzeit angespannte Marktlage und einen gestiegenen Wettbewerbsdruck in der Automobilbranche reagiert. Betroffen sind vor allem die Verwaltungs- und Entwicklungsabteilungen an den Standorten Stockdorf, Gilching, Utting, Hengersberg (alle Bayern) sowie Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Nicht betroffen ist hingegen das Werk in Wörth am Rhein in Rheinland-Pfalz, das als Kompetenzzentrum für elektronische Steuerungssysteme gilt.
Laut Unternehmensangaben wurde der Stellenabbau in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretungen beschlossen. Vorstand und Betriebsrat haben sich auf einen Sozialplan verständigt, der die negativen sozialen Folgen der Maßnahme abmildern soll. Teil dieses Plans ist unter anderem die Einrichtung einer Transfergesellschaft, die betroffenen Mitarbeitenden bis zu zwölf Monate lang Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung bieten soll. Der neue Vorstandsvorsitzende Jörg Buchheim bezeichnete die Entscheidung als schmerzhaft, aber angesichts der Marktverhältnisse unumgänglich. Die Maßnahme solle mit größtmöglichem Respekt gegenüber der Belegschaft und im Einklang mit der Unternehmenskultur umgesetzt werden.
Arbeitsrechtlich handelt es sich bei der geplanten Maßnahme um eine sogenannte Betriebsänderung im Sinne des § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln. Der Interessenausgleich regelt, wie die Betriebsänderung konkret umgesetzt wird – etwa welche Abteilungen betroffen sind und in welchem zeitlichen Rahmen. Der Sozialplan hingegen enthält Regelungen zur Kompensation wirtschaftlicher Nachteile für die Beschäftigten, beispielsweise Abfindungen, Weiterbildungsmaßnahmen oder Unterstützungsangebote durch eine Transfergesellschaft.
Zudem ist bei einem Stellenabbau in diesem Umfang eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erforderlich. Arbeitgeber müssen die Agentur für Arbeit informieren, bevor Kündigungen ausgesprochen werden. Andernfalls sind diese gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 17 KSchG unwirksam. Auch betriebsbedingte Kündigungen müssen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Insbesondere ist eine ordnungsgemäße Sozialauswahl vorzunehmen, bei der Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eventuelle Schwerbehinderung der Beschäftigten berücksichtigt werden müssen. Eine fehlerhafte Sozialauswahl kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Insgesamt beschäftigt Webasto rund 16.600 Mitarbeitende weltweit und erzielte 2023 einen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro. Das Unternehmen wurde 1901 in Esslingen am Neckar gegründet und ist heute vor allem für seine Dachsysteme, Heizsysteme und Lösungen für die Elektromobilität bekannt. Die Restrukturierungsmaßnahmen sollen bis Ende 2025 abgeschlossen sein und dienen laut Unternehmensleitung der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Produktionskapazitäten sollen an die gesunkene Nachfrage angepasst, Verwaltungsstrukturen verschlankt und Entwicklungsprozesse optimiert werden.
Besonders hervorzuheben ist, dass das Werk in Wörth am Rhein von den Entlassungen ausgenommen wurde. Dort betreibt die Tochtergesellschaft Webasto Mechatronics GmbH ein hochspezialisiertes Werk für die Fertigung von elektronischen Steuergeräten. Nach Angaben des Unternehmens bleibt der Standort aufgrund seiner strategischen Bedeutung und der stabilen Beschäftigungslage mit derzeit rund 173 Mitarbeitenden von den Kürzungen verschont.
Für betroffene Beschäftigte ist es wichtig, ihre arbeitsrechtlichen Möglichkeiten zu kennen. Wird eine Kündigung ausgesprochen, muss innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Versäumt der Arbeitnehmer diese Frist, gilt die Kündigung auch dann als wirksam, wenn sie rechtswidrig war. Auch sollte geprüft werden, ob der Sozialplan Ansprüche auf Abfindung oder sonstige Unterstützungsleistungen vorsieht.
Der Fall Webasto zeigt exemplarisch, wie strukturelle Veränderungen in der Automobilindustrie auch tiefgreifende arbeitsrechtliche Konsequenzen haben können. Umso wichtiger ist es, dass betroffene Beschäftigte frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um ihre Rechte zu wahren und individuelle Lösungen zu entwickeln – sei es im Hinblick auf Kündigungsschutz, Abfindungen oder Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung im Konzern.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
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