INSOLVENZRECHT
Wenn eine Schuldnerin kurz nach Begleichung ihrer Schulden insolvent wird
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Geld bekommen und es behalten dürfen ist zweierlei
Zu den Folgen, wenn eine Schuldnerin kurz nach Begleichung ihrer Schulden insolvent wird
Kurzfassung
In wirtschaftlich schlechten Zeiten lässt die Zahlungsmoral nach. Doch auch wer bei einer finanziell angeschlagenen Firma letztendlich an sein Geld kommt, kann noch nicht aufatmen. Wird die Schuldnerin nämlich in nahem zeitlichen Zusammenhang insolvent, so muss das Geld eventuell an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt werden.
Das zeigt ein vom Landgericht Coburg jetzt rechtskräftig entschiedener Fall, bei dem eine Gläubigerin zur Rückerstattung bereits sicher geglaubter rund 23.000,- € verurteilt wurde. Ihre Schuldnerin hatte an sie – statt zu bezahlen – eine eigene Forderung gegen einen Dritten abgetreten. Eine Rechtshandlung, die durch die Insolvenz der Schuldnerin hinfällig wurde.
Sachverhalt
Die spätere Beklagte hatte gegen die „Pleitefirma“ umfangreiche Forderungen. Um wenigstens an einen Teil des Geldes zu kommen, ließ sie sich noch offene Ansprüche ihrer Schuldnerin gegen Dritte in Höhe von knapp 23.000,- € abtreten. Die Dritten zahlten diese Summe auch brav an die Beklagte. Doch als die Schuldnerin nicht einmal zwei Monate nach Abtretung Insolvenz anmeldete, kam das böse Erwachen: der Insolvenzverwalter focht die Forderungsabtretung an und klagte auf Herauszahlung des erlösten Betrages.
Gerichtsentscheidung
Im Einklang mit den bestehenden Gesetzen, wie das Landgericht Coburg befand. Nach den einschlägigen Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) sei die Beklagte zur „Rückzahlung“ verpflichtet. Die Beklagte habe zwar Zahlung beanspruchen können, nicht aber, dass ihr Ansprüche gegen Dritte übertragen werden. Und zum Zeitpunkt der Forderungsabtretung sei die Schuldnerin schon zahlungsunfähig gewesen. Weil der Insolvenzantrag nur knapp zwei Monate danach gestellt wurde, greife die Anfechtung des Insolvenzverwalters ohne weiteres durch – egal, ob die Beklagte die finanzielle Malaise ihrer Geschäftspartnerin gekannt habe oder nicht.
Fazit
Geld bekommen und Geld behalten dürfen sind zweierlei Paar Stiefel.
(LG Coburg, Urteil vom 29.5.2002, Az: 13 O 90/02; rechtskräftig)
Zur Rechtslage:
Die InsO sieht vor, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt alle Gläubiger einer insolventen Firma gleich zu behandeln sind. Mit der Folge, dass Handlungen der Pleitefirma, mit denen sie einzelne Gläubiger befriedigt, unter gesetzlich normierten Voraussetzungen anfechtbar werden.
Immer dann, wenn zur Begleichung von Schulden etwas anderes als das eigentlich Geschuldete (z. B. Forderungsabtretung oder Übereignung von Gegenständen statt Zahlung) geleistet und damit eine „inkongruente Deckung“ gewährt wird, wird es für den Gläubiger „gefährlich“: Er muss damit rechnen, dass dieser Akt später vom Insolvenzverwalter angefochten wird und das Erlangte herauszugeben ist.
Die für oben geschilderten Fall maßgebliche Vorschrift lautet:
§ 131 InsO [Inkongruente Deckung]:
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der zeit zu beanspruchen hatte,
1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war ...
(2) ...