MIETRECHT
WG kann sich Mietnachfolger nicht automatisch selbst aussuchen
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Karlsruhe (jur). Haben bei einer Wohngemeinschaft (WG) alle Mieter den Mietvertrag unterschrieben, muss später der Vermieter einem Mieterwechsel nicht automatisch zustimmen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 2. Juni 2022 veröffentlichten Leitsatzurteil entschieden (Az.: VIII ZR 304/21). Anderes kann danach aber bei einer absehbar hohen Fluktuation gelten, etwa bei Studierenden.
Im Streitfall geht es um eine WG mit sieben Zimmern in Berlin-Charlottenburg. Der Ausgangsvertrag war im August 2013 abgeschlossen und auf Mieterseite von sechs jungen Männern unterschrieben worden. Im Februar 2017 zogen fünf Mieter aus und sechs traten neu in den Mietvertrag ein. Der Vermieter verband seine Zustimmung mit einer Erhöhung der monatlichen Grundmiete von 1.931 auf 2.173 Euro. Drei Monate später stimmte er auch dem Wechsel eines der neu eingetretenen Mieter zu.
Später zogen vier der Mieter aus. Ihre Zimmer wurden an die Nachmieter zunächst untervermietet. Als im Oktober 2019 die WG die Aufnahme der neuen Mieter in den Mietvertrag verlangte, verweigerte der Vermieter die Zustimmung.
Die WG-Mitglieder klagten. Wie vor dem Landgericht Berlin hatten sie nun aber auch beim BGH keinen Erfolg.
Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, der Mietvertrag enthalte keine Regelung zum Mieterwechsel. Das Gesetz räume ihnen lediglich die Möglichkeit einer Kündigung oder einer Untervermietung ein.
Die Möglichkeit, einzelne Nachmieter einseitig selbst zu bestimmen, führe zu weiteren, gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteilen für die Mieter. So könnten sie – anders als bei einer Untervermietung – ohne weitere Haftungsrisiken aus dem Mietvertrag ausscheiden. Neue WG-Mitglieder würden die gesicherte Stellung eines Hauptmieters erlangen, würden aber gleichzeitig von den für die Altmieter bereits längeren Fristen für eine Vermieterkündigung profitieren. Zudem profitierten sie von den für Altverträge geltenden Grenzen einer Mieterhöhung.
Zwar könne auch ein Vermieter ein Interesse daran haben, dass eine WG selbstständig für Nachmieter sorgt und sich um die Abwicklung kümmert. Dies habe aber auch erhebliche Nachteile für den Vermieter. So könne sich die Solvenz der Mieter erheblich verschlechtern, ohne dass der Vermieter hierauf einen Einfluss habe. Trotz der gesamtschuldnerischen Haftung aller Mieter könne dies zu einem wirtschaftlichen Risiko führen. Gegenüber Neuverträgen bestünden zudem geringere Möglichkeiten, die Miete zu erhöhen.
Allein aus dem Umstand, dass die Mieter von Beginn an eine Wohngemeinschaft gründen wollten, lasse sich daher ein Anspruch auf Zustimmung zum Mieterwechsel nicht ableiten. Auch aus früheren Zustimmungen ergebe sich ein solcher Anspruch nicht.
„Vielmehr bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Vermieter den Mietern ein derartiges Recht zugestehen wollte“, heißt es in dem Karlsruher Urteil. Andernfalls würden die Mieterinteressen einseitig in den Vordergrund rücken.
Anhaltspunkt für eine Zustimmung des Vermieters kann es nach dem Karlsruher Urteil sein, wenn dieser von Beginn an wusste, dass die WG auf eine hohe Fluktuation ausgelegt ist, insbesondere etwa bei Studierenden. „In dieser Konstellation wird es regelmäßig dem durch eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung ermittelten Willen der Vertragsparteien entsprechen, dass den Mietern ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel zustehen soll.“ Auch in solchen Fällen müsse der Vermieter aber die Zumutbarkeit seiner Zustimmung prüfen können.
Im konkreten Fall gebe es solche Anhaltspunkte für eine Zustimmung des Vermieters zum regelmäßigen Mieterwechsel nicht, befand der BGH in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 27. April 2022. Allein die hohe Zahl gleichgeschlechtlicher Personen reiche für die selbstverständliche Annahme einer hohen Fluktuation nicht aus.
In seiner Urteilsbegründung verweist der BGH zudem auf die Möglichkeit, bei Abschluss des Mietvertrags eine Klausel zum Mieterwechsel aufzunehmen. Zudem gebe es für eine WG auch andere Gestaltungsmöglichkeiten, etwa mit einem Hauptmieter, der dann an die anderen Mieter untervermietet.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock