KFZ-GUTACHTER
Wie hoch ist die Bagatellschadengrenze für ein Kfz-Gutachten?
Autor: Herr Gabriel Raiolo - Sachverständiger und Gutachter
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Bei einem Verkehrsunfall ist die Feststellung des Schadensumfangs entscheidend für die Regulierung durch die Versicherung. Besonders relevant wird dabei die Frage, ab wann ein Kfz-Gutachten durch einen Sachverständigen erforderlich oder sinnvoll ist – und wann stattdessen ein Kostenvoranschlag genügt. Dies hängt maßgeblich von der sogenannten Bagatellschadengrenze ab. Doch wie hoch ist diese Grenze und welche Faktoren sind dabei zu beachten?
Definition: Was ist ein Bagatellschaden?
Ein Bagatellschaden ist ein geringfügiger Schaden an einem Fahrzeug, der in der Regel keine strukturellen oder sicherheitsrelevanten Komponenten betrifft. Typische Bagatellschäden sind:
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Kleine Kratzer im Lack
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Leichte Dellen
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Geringfügige Beschädigungen an Stoßfängern
Diese Schäden erfordern meist keine aufwendige Reparatur und beeinträchtigen die Verkehrssicherheit nicht.
Die Bagatellschadengrenze in der Praxis
Die gerichtliche und versicherungstechnische Bagatellschadengrenze liegt derzeit bei etwa 750 bis 1.000 Euro (brutto). Diese Grenze wurde in zahlreichen Urteilen bestätigt, unter anderem durch den Bundesgerichtshof.
Richtwerte:
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Bis ca. 750 €: Der Schaden gilt in der Regel als Bagatellschaden.
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750 – 1.000 €: Graubereich – Ein Gutachten kann zulässig sein, muss aber im Einzelfall begründet werden.
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Ab 1.000 €: Kein Bagatellschaden mehr – ein Kfz-Gutachten ist gerechtfertigt.
Wichtig ist: Nicht nur die Schadenshöhe zählt, sondern auch die Art des Schadens.
Bedeutung für die Schadensregulierung
Wenn ein Schaden als Bagatellschaden einzustufen ist, erstatten die Versicherungen häufig keine Kosten für ein Sachverständigengutachten. Stattdessen wird ein Kostenvoranschlag (z. B. von einer Werkstatt) oder ein Kurzgutachten empfohlen.
Wird ein Gutachten trotz Bagatellschaden beauftragt, kann die gegnerische Versicherung die Erstattung verweigern oder kürzen – mit dem Verweis auf Unverhältnismäßigkeit.
Ausnahmefälle und wichtige Hinweise
In bestimmten Fällen kann auch bei einem scheinbar geringen Schaden ein vollständiges Gutachten erforderlich oder sinnvoll sein. Dazu zählen insbesondere:
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Verdacht auf versteckte Schäden, etwa an Trägern, Sensoren oder sicherheitsrelevanten Komponenten
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Verdacht auf Nutzungsausfall, merkantilen Minderwert oder bleibende Wertminderung
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Bedarf an gerichtsfester Beweissicherung bei unklarer Schuldfrage oder zu erwartendem Streit
Fazit: Wann lohnt sich ein Gutachten?
Ob ein Gutachten sinnvoll ist, hängt im Wesentlichen von der Schadenshöhe und den Umständen ab. Zur Orientierung:
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Liegt der Schaden unter 750 Euro, genügt in der Regel ein Kostenvoranschlag oder Kurzgutachten
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Bei einem Schaden zwischen 750 und 1.000 Euro sollte der Einzelfall geprüft werden.
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Ab etwa 1.000 Euro ist ein vollständiges Gutachten meist gerechtfertigt
Ein qualifizierter Kfz-Sachverständiger kann bereits auf Grundlage von Fotos oder einer ersten Sichtprüfung beurteilen, ob ein vollständiges Gutachten notwendig und erstattungsfähig ist.