VERSICHERUNGSRECHT
Zum Umfang des „Regulierungsermessens“ der Kfz-Haftpflichtversicherung
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Zum Umfang des „Regulierungsermessens“ der Kfz-Haftpflichtversicherung
Kurzfassung
Die Kfz-Haftpflichtversicherung darf unter Umständen einen Unfall auch gegen den Willen ihres Versicherten regulieren. Denn sie hat einen weiten Ermessensspielraum. Nur willkürliches oder unsachliches Vorgehen ist ihr untersagt. Folge: Der Versicherte kann selbst dann in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse eingestuft werden, wenn er Zweifel hat, dass das andere Fahrzeug von ihm beschädigt wurde.
Das verdeutlicht ein vom Landgericht Coburg entschiedener Fall. Die Klage eines Versicherten, der Regulierung und Rückstufung als unberechtigt festgestellt wissen wollte, wurde abgewiesen. Bei einer Schadenssumme von rund 240,- € und nachgewiesener Kollision mit dem Pkw des Unfallgegners sei das Verhalten der Versicherung nicht zu beanstanden, führten die Richter aus. Es könne dahinstehen, ob das Auto des Gegners vorgeschädigt gewesen sei. Die Versicherung habe sich jedenfalls nicht auf einen kostspieligen Prozess einlassen müssen.
Sachverhalt
Beim Rangieren aus einer Parklücke stieß der Wagen des Klägers gegen einen parkenden Pkw. Dies beobachtete eine Zeugin. Die Eigentümerin des „gestoßenen“ Fahrzeugs machte einen Schaden von rund 240,- € geltend. Nach Recherchen regulierte die Versicherung diesen Betrag außergerichtlich. Außerdem stufte sie den Kläger in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse ein. Beitragsmehrbelastung für die nächsten drei Jahre: rund 1.250,- €. Der Kläger hielt dies für rechtswidrig. Der Pkw der Unfallgegnerin sei nämlich bereits vor dem Unfall beschädigt gewesen.
Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Coburg gab aber der beklagten Versicherung Recht. Die Kfz-Haftpflichtversicherung habe bei der Schadensregulierung einen weiten Beurteilungsspielraum. Lediglich willkürliche, ohne Prüfung der Sachlage vorgenommene Regulierungsmaßnahmen müsse der Versicherte nicht hinnehmen. Im zu entscheidenden Fall sei die Regulierung nicht ermessensfehlerhaft gewesen. Schließlich habe eine Zeugin die Kollision sowohl gegenüber der Polizei als auch auf Nachfrage der Versicherung bestätigt. Bei einer Schadenshöhe von 240,- € habe sich die Beklagte deshalb schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf ein kostenträchtiges Gerichtsverfahren einlassen müssen.
Fazit
In solchen Fällen kann es sich für den Versicherten also lohnen, den Schaden selbst zu bezahlen. Denn: 240,- € sind deutlich günstiger als 1.250,- € und ein verlorenes Gerichtsverfahren.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 2.5.2003, Az: 32 S 17/03; rechtskräftig)
Zur Rechtslage:
Aufgrund der praktisch immer bei Abschluss des Versicherungsvertrages vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (das „Kleingedruckte“) ist die Kfz-Haftpflichtversicherung im Verhältnis zum Versicherungsnehmer berechtigt, die Regulierung von Schadensfällen selbständig zu betreiben. Sie ist dabei auch nicht an Weisungen des Versicherten gebunden.
Die entsprechenden Klauseln in den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung (AKB) lauten:
§ 7 II (5) AKB:
Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt, hat der Versicherungsnehmer die Führung des Rechtsstreites dem Versicherer zu überlassen, auch dem vom Versicherer bestellten Anwalt Vollmacht und jede verlangte Aufklärung zu geben.
§ 10 (5) AKB:
Der Versicherer gilt als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen Ansprüche (...) zu befriedigen und/ oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben.