NACHBARSCHAFTSRECHT
Zum Umfang eines Notwegerechts und zu der für den Notweg anfallenden Notwegerente
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Kurzfassung
Wer sein Grundstück nicht über öffentliche Wege erreichen kann, darf dazu auf einem sogenannten Notweg den Grund und Boden des Nachbarn benutzen – allerdings nur in dem Umfang, den die Beschaffenheit des eigenen Grundstücks erforderlich macht. Und gegen „Notwegrente“ – also Bezahlung.
Statt der eingeklagten drei Meter breiten Trasse, die jederzeit benutzt werden kann, bekam darum der Eigentümer eines Gartengrundstückes vom Landgericht Coburg nur einen Ein-Meter-Notweg zugesprochen, den er nur in bestimmten Zeiträumen benutzen darf. Und er hat dafür jedes Jahr 1.000.- DM an den Nachbarn zu bezahlen.
Sachverhalt
Im entschiedenen Fall stritten sich zwei nebeneinander wohnende Grundstückseigentümer, von denen jeder hinter seinem Haus einen Garten hat. Ein drittes Gartengrundstück gehörte ursprünglich beiden zusammen, doch nur der Beklagte hatte über sein Grundstück Zugang zu diesem Gemeinschaftseigentum. Besonderheit: die Nachbarn waren zugleich auch Brüder und bereits länger im – auch vor den Gerichten ausgetragenen – Streit. Als nun der Kläger über eine zwangsweise Versteigerung alleiniges Eigentum an dem früheren „Familiengarten“ erlangte, waren weitere Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Den nun ihm alleine gehörenden Grund und Boden konnte er nur über des Bruders Terrain erreichen – das der aber nicht „preisgab“. Er war nämlich der Ansicht, sein brüderlicher Nachbar wolle ihn mit seinem Ansinnen nur schikanieren. Der aber bestand auf einer drei Meter breiten Zufahrt – schließlich müsse er das Grundstück bewirtschaften. Er klagte.
Gerichtsentscheidung
In seinem Urteil ging das Landgericht einen Mittelweg. Zwar bestehe ein Notwegerecht zugunsten des klägerischen Grundstückes über das Eigentum des Beklagten. Denn der für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung erforderliche Zugang sei anders nicht möglich. Dass einer der am Streit unbeteiligten weiteren Nachbarn sein Grundstück zur Verfügung stellen müsse, könne in diesem speziellen Fall nicht angehen – zumal der vom Kläger geforderte Weg der kürzest mögliche sei. Zur Pflege des Rasens sowie des Hecken- und Baumbestandes sei aber ausreichend, wenn der Kläger mit kleinerem Gartengerät in Schubkarrenbreite (1 Meter) auf das Grundstück gelange. Und auch das zeitlich nicht unbegrenzt, sondern nur in angemessener Dauer. Da der Notweg immerhin durch den Hausgarten des Beklagten führe (wenn auch nur an dessen Rand entlang) und sich dadurch der Verkaufswert des Grundstückes vermindere, müsse der Kläger zum Ausgleich jedes Jahr 1.000.- DM zahlen.
Die Frage nach „Gewinner“ oder „Verlierer“ beantwortete das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung salomonisch: das Obsiegen und Unterliegen der Parteien sei gleich hoch einzuschätzen.
(Landgericht Coburg, Az: 21 O 665/98)
Zur Rechtslage:
Jedes Grundstück muss irgendwie erreichbar sein – ob zu Fuß, mit dem Auto, Laster oder gar Mähdrescher richtet sich nach Lage, Größe und Bewirtschaftungsart des Grundstückes. Der Nachbar hat daher gegebenenfalls in Kauf zu nehmen, dass sein Eigentum in Anspruch genommen wird. Welcher Nachbar (üblicherweise grenzen an ein Grundstück mehrere andere an, die oft nicht demselben Nachbarn gehören), entscheiden die Gerichte jeweils nach Einzelfall. Üblicher Weise wird der sogenannte Notweg über das Grundstück führen, das dadurch am wenigsten beeinträchtigt wird – außer, dieser Weg wäre für den Eigentümer der „anbindungslosen“ Fläche unzumutbar beschwerlich. Den genauen Verlauf sowie die Breite und Benutzungshäufigkeit bestimmen allein die Gerichte durch Urteil, wenn sich die Nachbarn nicht einig werden. Da aber in fremdes Eigentum eingegriffen wird, steht dem Nachbarn in aller Regel eine Geldentschädigung („Notwegerente“) zu. Auch diese setzt das Gericht fest.