SCHADENSERSATZ UND SCHMERZENSGELD
Zusammenstoß zweier Radfahrer - Armbruch: 5.000 DM
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
vom 18.1.2001, Az. 8 U 2769/00
Unfall zweier Radfahrer
- Verschulden beider Radfahrer am Unfall macht für Haftungsverteilung Abwägung erforderlich
- Beklagter (13 J.): Plötzlicher unangekündigter Fahrspurwechsel nach links
- Kläger: Mangelnde Vorsicht beim Annähern an den erkennbar minderjährigen "Vordermann"
Vorbemerkung:
Der zum Unfallzeitpunkt 13-jährige Beklagte fuhr Werbezeitungen aus. Um einen auf der linken Straßenseite angebrachten Briefkasten zu erreichen, zog er plötzlich und ohne ein Zeichen zu geben nach links. Hierbei kollidierte er mit dem Kläger, der mit hoher Geschwindigkeit auf seinem Rennrad unterwegs war. Ob der Minderjährige von einer anderen Straße unmittelbar in die vorfahrtberechtigte Straße des Klägers eingebogen war (so der Kläger) oder bereits eine Zeitlang vor dem Kläger hergefahren war (so der Beklagte), wurde von den Parteien unterschiedlich dargestellt. Jedenfalls konnte der Kläger dem Jungen nicht mehr ausweichen.. Er stürzte und zog sich dabei u.a. einen komplizierten Bruch des linken Unterarms zu.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 2 O 1489/00) bewertete das Verschulden des Beklagten mit 2/3, das des Klägers mit 1/3.
Hiergegen legte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg ein. Sein Rechtsmittel blieb jedoch ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
(Auszug)
"Der Berufung des Klägers war der Erfolg zu versagen, weil der Beklagte ... (lediglich) verpflichtet ist, dem Kläger 2/3 seiner gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immaterieller Schäden zu ersetzen und für die bei diesem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen und Gesundheitsbeschädigungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 DM zu bezahlen.
Das Berufungsgericht folgt den überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Vorbringen des Klägers in beiden Instanzen nicht entkräftet werden, und nimmt hierauf Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Nur ergänzend ist zum Berufungsvorbringen auszuführen:
1. Der Beklagte .. hat den Fahrradunfall vom 07.09.1999 nicht allein verschuldet, als er die Fahrbahnseite wechselte, ohne seiner sogenannten zweiten Rückschaupflicht nachzukommen (§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO); den Kläger trifft ein Mitverschulden am Zustandekommen dieses Verkehrsunfalls, das das Landgericht zutreffend mit einem Drittel bewertet hat.
Das Verschulden des Klägers liegt u.a., d.h. neben den vom Landgericht bereits dargestellten Gründen hinaus darin, daß er entgegen § 5 Abs. 3 Ziffer 1 StVO bei unklarer Verkehrslage den Beklagten ... überholt hat.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Beklagte ... sei unter Mißachtung seines Vorfahrtsrechts aus einer untergeordneten Straße in die vom Kläger befahrene Straße eingebogen. Bei einer derartigen Verkehrssituation hätte der Kläger nicht "einfach" dem Beklagten zu 1) durch Überholen ausweichen dürfen, sondern hätte zunächst seine Geschwindigkeit der kritischen Verkehrslage anpassen müssen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil gemäß § 3 Abs. 2 a StVO Fahrzeugführer sich gegenüber Kindern - insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft - so verhalten müssen, daß eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Beklagte ... war zum Unfallzeitpunkt 13 Jahre und 2 Monate. Der Senat konnte sich in der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2000 davon überzeugen, daß er auch heute noch nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Kind zu verifizieren ist. Der vom Kläger vor dem Zusammenstoß von sich gegebene Warnruf stellt kein sachgerechtes Verhalten im Sinne des § 3 Abs. 2 a StVO dar.
Unter Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile hat das Landgericht auch nach Überzeugung des Senats zu Recht eine Mithaftung des Klägers zu einem Drittel angenommen.
2. Dieser Haftungsquote entsprechend hat das Landgericht den Beklagten... zu Recht verurteilt, zwei Drittel des ... materiellen Schadens aus dem Verkehrsunfall vom 07. September 1999 in Höhe von 3.603,26 DM, also 2.402,17 DM, zu erstatten und darüber hinaus festgestellt, daß der Beklagte... verpflichtet ist, dem Kläger, der sich noch im Dezember 2000 einer Nachoperation unterziehen muß, sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem genannten Verkehrsunfall entstehen und entstehen werden, mit einer Haftungsquote von zwei Dritteln zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
Die pauschalen Unkosten des Klägers hat das Landgericht sachgerecht mit 40,00 DM angesetzt (§ 287 ZPO)....
3. Das dem Kläger vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 DM zum Ausgleich der erlittenen Verletzungen und Gesundheitsbeschädigungen ist ausreichend bemessen. Die Art und Schwere der erlittenen Verletzungen, Art und Dauer der ärztlichen Heilbehandlung sowie der - u.a. beruflichen - Beeinträchtigungen des Klägers wurden vom Landgericht dabei sachgerecht und ebenso berücksichtigt wie das nicht unerhebliche Mitverschulden des Klägers am Zustandekommen des verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfalles. Die vom Landgericht herangezogenen Vergleichsfälle (aus Hacks, Ring, Böhm, Schmerzensgeldbeiträge) entsprechen in etwa der Verletzungssituation beim Kläger. Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils.
Das Berufungsvorbringen des Klägers enthält keine neuen, die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussenden Gesichtspunkte und ist deshalb nicht geeignet, das Ersturteil in Frage zu stellen. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles, nämlich
daß der Kläger einen komplizierten Bruch des linken Unterarms sowie diverse Prellungen und Hautabschürfungen am ganzen Körper erlitten hat,
er vier Tage in stationärer Behandlung im Krankenhaus gewesen ist,
am 07.12.1999 eine K-Drahtentfernung durchgeführt werden mußte,
er sich einer krankengymnastischen Übungsbehandlung unterziehen mußte,
bei ihm am 28.02.2000 (u.a.) eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken Handgelenks und der Unterarmdrehbeweglichkeit festgestellt wurde,
eine in Fehlstellung und Verkürzung knöchern fest verheilte distale Radiusfraktur links vorliegt,
von einer beginnenden Arthrose auszugehen ist
er in der Zeit vom 07.09.1999 bis 31.01.2000 zu 100 %, in der Zeit vom 01.02.2000 bis 29.02.2000 zu 50 % und ab 01.03.2000 ab 20 % arbeitsunfähig war und
von einem Dauerschaden von 20 % wegen deutlicher Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks und wegen Belastungsschmerzen auszugehen ist,
ist die Zuerkennung eines höheren Schmerzensgeldes nicht gerechtfertigt.
Die vom Kläger zitierten Vergleichsfälle aus Hacks, Ring, Böhm, Schmerzensgeldbeiträge, bei denen dem jeweils Verletzten ein Schmerzensgeld von über 10.000,00 DM zuerkannt wurde, entsprechen nicht der Sachlage des vorliegenden Falles. Dies zum einen wegen der dort beschriebenen Verletzungen und deren Folgen, zum anderen aber auch deshalb, weil in den zitierten Fällen - abgesehen vom Fall des Oberlandesgerichts Nürnberg, Nr. 1258 - kein Mitverschulden des Verletzten gegeben war.
Die Berufung des Klägers konnte deshalb auch insofern keinen Erfolg haben ...."
Urteil des Oberlandesgericht Nürnberg
vom 18.1.2001, Az. 8 U 2769/00; rechtskräftig)