EU-RECHT
Zwischenerfolg für Nord Stream 2 AG
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Luxemburg (jur). Im Streit um die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 hat die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG einen Zwischenerfolg errungen. Nach einem am Dienstag, 12. Juli 2022, verkündeten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg kann sie gegen 2019 erfolgte Änderungen der EU-Gasrichtlinie klagen, weil sie als einzige davon betroffen ist (Az.: C-348/20 P). Ob die Klage gerechtfertigt ist, muss nun das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Union (EuG) entscheiden.
Nach der Gasrichtlinie der EU müssen bei Gas-Fernleitungen zwischen zwei oder mehr Mitgliedsstaaten die Interessen der Infrastrukturbetreiber auf der einen sowie der Erzeuger und Versorger auf der anderen Seite klar getrennt sein. Der Zugang zu den Leitungen muss allen Anbietern offenstehen.
Im April 2019 wurde dies durch eine Änderungsrichtlinie dahin ergänzt, dass diese Vorgaben auch für Leitungen zwischen der EU und Drittstaaten gelten. Davon gibt es allerdings verschiedene Ausnahmen.
Betreiberin der neuen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist die Nord Stream 2 AG mit Sitz in Zug (Schweiz). Sie ist eine hundertprozentige Tochter der russischen Gazprom AG.
Mit ihrer Klage ficht die Nord Stream 2 AG die Änderungsrichtlinie an. Die Fernleitung Nord Stream 2 sei im Zeitpunkt der Änderung bereits zu 95 Prozent fertig gewesen. Die Änderungen machten es erforderlich, dass Gazprom die Leitung komplett verkauft oder ihre eigenen Unternehmensstrukturen völlig umbaut. Dies unterlaufe die geplante Finanzierungsgrundlage der Gasleitung.
In erster Instanz hatte das EuG die Klage am 20. Mai 2020 als unzulässig abgewiesen (Az.: T-526/19). Hiergegen legte die Nord Stream 2 AG Rechtsmittel beim EuGH ein. Diese hatten nun Erfolg. Die Klage ist zulässig, urteilten die obersten EU-Richter.
Zur Begründung verwies der EuGH darauf, dass im Grundsatz jede Handlung und damit auch jede Richtlinie der EU mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbar ist. Voraussetzung für eine solche Klage durch Bürger, Organisationen oder Unternehmen sei, „dass sich die betreffende Handlung unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt und den Mitgliedstaaten keinerlei Ermessensspielraum bei ihrer Durchführung lässt“.
Hier hatte das EuG gemeint, Rechtswirkung entfalte die Richtlinie erst durch ihre Umsetzung, hier durch Deutschland. Im konkreten Fall trifft dies nach Überzeugung des EuGH aber nicht zu. Die Richtlinie sei „anhand des Wesens und nicht anhand der Form“ zu prüfen“.
Die Änderungsrichtlinie aus 2019 habe verschiedene Ausnahmen. Diese seien so formuliert, dass die Richtlinie ausschließlich auf Nord Stream 2 anwendbar ist. Der Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie sei gering und ändere nichts an der Kritik der Betreiberin Nord Stream 2 AG. Diese sei daher von der Richtlinie „individuell betroffen“ und ihre Klage zulässig.
Der EuGH verwies den Streit an das EuG zurück, das die Klage nun inhaltlich prüfen muss.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock