Entlassung von Röttgen heizt Diskussion um Prioritäten der Energiewende an
Nach der Abberufung von Norbert Röttgen als Bundesumweltminister durch Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) geht es in der Politik jetzt um die Prioritäten bei der Energiewende. Während Teile der Grünen und der Erneuerbaren-Branche Röttgens Politik als nicht ambitioniert genug anprangerten, ging der ehemalige Umweltminister wirtschaftsnahen Kreisen der Koalitionsfraktionen bereits viel zu weit. FDP-Generalsekretär Patrick Döring ließ am Montag nach der FDP-Präsidiumssitzung verlauten, dass bei der von den Ländern in den Vermittlungsausschuss verwiesenen Solar-Reform jetzt der erste Entwurf mit härteren Einschnitten auf den Tisch kommen müsse.
Der Bedeutung des Personalwechsels an der Spitze des Bundesumweltministeriums für die Energiewende widmet sich der Titelbericht der Ausgabe 21/2012 von EUWID Neue Energien. Insgesamt umfasst die am 23. Mai erschienene Publikation 93 Nachrichten und Berichte zur Energiewende auf 32 Seiten. Im Folgenden findet sich eine Kurzcharakteristik der Ausgabe (zur kompakten Übersicht gelangen Sie hier: http://www.euwid-energie.de/printausgabe/aktuelle-ausgabe.html):
ÜBERGREIFENDE THEMEN
Auch nach dem Rauswurf von Röttgen als Bundesumweltminister bleibt die Stimmung mit Blick auf das Gelingen der Energiewende frostig. Gehörte Röttgen zu den wenigen Koalitionspolitikern, die auf die großen wirtschaftlichen Chancen einer geglückten Energiewende verwiesen und die Chancen des Großprojekts in den Blickpunkt rückten, bringen sich jetzt wieder vermehrt diejenigen Akteure in die Debatte ein, die vor großen Risiken des Projekts warnen. Gerade die FDP, aber auch die wirtschaftsnahen Kreise der CDU, sehen die Stabilität der Strompreise als zentrale Aufgabe beim Umbau des Energiesystems an. „Strom muss für Verbraucher und Unternehmen bezahlbar bleiben“, sagte Rösler dem „Handelsblatt“. „Dies muss bei der Umsetzung der Energiewende im Zentrum unserer Überlegungen stehen. Das gilt für alle Partner in der Koalition“, diktierte Rösler jüngst die Agenda der Energiewende.
Die Wirtschaft selbst erneuert ihre Zweifel am Gelingen der Energiewende. „Die Sorge, dass die Risiken der Energiewende unzureichend eingeschätzt werden, ist real und aus aktueller Sicht auch nachvollziehbar“, erklärte etwa der Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), Peter Kulitz, bei der Vorstellung der energiepolitischen Positionen seines Verbandes.
In Bayern sorgt sich Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) derweil um mögliche Kapazitätskürzungen bei Gaskraftwerken in Bayern und Hessen. „Eine derartige Stilllegung wäre ausgesprochen besorgniserregend, da die Stromversorgungssituation in Süddeutschland bereits jetzt sehr angespannt ist und sich mit der gesetzlichen Abschaltung weiterer Kernkraftwerke verschärfen wird“, betonte Zeil. Einem Bericht der „Financial Times Deutschland“ zufolge plant der Energieversorger E.ON, in den kommenden beiden Jahren drei Kraftwerke in Bayern und Hessen dichtzumachen. „Wir müssen deshalb alles tun, um eine Stilllegung zu vermeiden“, sagte Zeil.
Weitere übergreifend relevante Berichte in EUWID Neue Energien 21/2012 befassen sich mit der Diskussion um die Energiewende in Sachsen, dem Geschäftsklima in der Erneuerbaren-Branche sowie Preisen für Rohstoffe, Strom und Heizöl. Unternehmensnachrichten zu MVV, Siemens, N-Ergie und BayWa ergänzen die Berichterstattung.
BIOENERGIE
Der Biogasanlagenbauer MT-Energie hat im abgelaufenen Jahr mehr als 135 neue Anlagen installiert. Wie das Unternehmen in der vergangen Woche bekannt gab, wurde damit Ende 2011 die Marke von 500 Biogasanlagen überschritten. Gemessen an der installierten Leistung verfügte die Gruppe mit Firmensitz in Zeven nach eigenen Berechnungen über einen Marktanteil in Deutschland von 15 Prozent im Jahr 2011. Auch in den Umsätzen spiegelt sich das Rekordjahr wider: Der Konzernumsatz konnte um 39 Prozent auf 198,8 Mio. € (Vorjahr: 143,5 Mio. €) gesteigert werden. Den Umsatzanstieg führt das Unternehmen unter anderem auf Vorzieheffekte aus der EEG-Novelle zurück.
MT-Energie ist unter anderem auch in Großbritannien aktiv. Die dortige Regierung will auch zukünftig auf die Biomasse als wichtigen Pfeiler in der Dekarbonisierungsstrategie des Landes setzen. Bis 2020 könnte Großbritannien 8 bis 11 Prozent des Primärenergiebedarfs aus Biomasse decken, für 2050 peilt das Land laut „UK Bioenergy Strategy“ einen Bioenergieanteil von 12 Prozent an, wobei hier eine breite Streuung innerhalb eines Bereichs von 8 bis 21 Prozent denkbar erscheint.
In der Schweiz ist der Biodieselproduzent Biopetrol Industries in eine Schieflage geraten. Die Produktionsanlage in Rotterdam-Pernis wurde still gelegt, um die Kosten auf ein Minimum zu reduzieren. „Die Marktbedingungen sind seit Jahresbeginn äußerst schwierig geblieben“, sagte Maarten Roelfs, CEO des Unternehmens. Die finanzielle Situation des Unternehmens habe sich seit Ende des vergangenen Jahres „signifikant verschlechtert“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Das hohe Verschuldungsniveau soll nunmehr durch eine Restrukturierung der Finanzen gesenkt werden. Inwieweit die Gespräche mit den Gläubigern von Erfolg gekrönt sein werden, sei gleichwohl derzeit nicht abzusehen.
Die Bioenergieberichterstattung befasst sich in Ausgabe 21/2012 von EUWID Neue Energien auch mit der Bilanz der dena zu dem vor einem Jahr gestarteten Biogasregister, mit dem weltweiten Pflanzenölverbrauch im Jahr 2011 und Forschungsansätzen zur Optimierung des Einsatzes von Grassilage in Biogasanlagen. Die Marktberichterstattung umfasst die Großhandelspreise für Getreide/Ölsaaten, die Wochenpreise für Biodiesel und die DEPV-Verbraucherpreise für Holzpellets.
SOLARENERGIE
Angesichts der Pleitewelle in der deutschen Solarindustrie prüft Sachsen-Anhalt den Einstieg beim insolventen Hersteller Sovello. „Das muss alles im Einzelfall geprüft werden“, sagte Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) vergangene Woche in Magdeburg. Es stelle sich die Frage, ob man sich bei einer staatlichen Förderung vorübergehend Eigenkapitalrechte am Unternehmen geben lasse. „Was die US-Regierung mit General Motors gemacht hat oder die Bundesregierung mit der Commerzbank, könnte ein Vorbild sein“, sagte die Ministerin der „Mitteldeutschen Zeitung“. Allerdings sei eine Zustimmung der EU notwendig. Zunächst sei zudem ein Sanierungskonzept gefordert.
Nach Ansicht der Energieexpertin Claudia Kemfert wird die deutsche Solarbranche die aktuelle Krise ungeachtet der jüngsten Pleitewelle überleben. „Wir haben sehr gut aufgestellte Unternehmen im Land. Die grundsätzliche Schwarzmalerei teile ich nicht“, sagte die Professorin für Energieökonomie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Die Solarbranche insgesamt ist eine Zukunftsbranche, die weltweit boomen wird“ sagte Kemfert. Es sei allerdings eine langfristige Technik. „Insofern ist es wichtig, dass man sich nicht alle Standbeine abschneidet. Aber eine Marktbereinigung war zu erwarten.“
Derweil haben die chinesischen Unternehmen, denen viele Marktbeobachter eine Mitverantwortung für die derzeitige Krise am Solarmarkt zuschreiben, in den USA einen Dämpfer erhalten: Das US-Handelsministerium hat chinesische Solarimporte wegen Preisdumpings mit hohen Strafzöllen belegt. Zwischen 31 und 250 Prozent liegen die Zölle, wie das Ministerium auf Basis einer vorläufigen Entscheidung in der vergangenen Woche mitteilte. Grund sei, dass chinesische Unternehmen dank Subventionierung durch den Staat ihre Produkte unter den Herstellungskosten anböten. Damit hat der Bonner Solarworld-Konzern ein wichtiges Etappenziel in seinem Kampf gegen den vermeintlich unlauteren Wettbewerb von Seiten der chinesischen PV-Anbieter erreicht. Das Urteil aus den USA sei ein „Signal an Europa, wo vergleichbare Maßnahmen greifen müssen“, sagte Solarworld-Chef Frank Asbeck.
Weitere Berichte und Analysen im Solarbereich befassen sich in Ausgabe 21/2012 von EUWID Neue Energien unter anderem mit den jüngsten Preistrends bei PV-Modulen, der Solarstromeinspeisung in den ÜNB-Regelzonen und den aktuellen Entwicklungen bei Conergy, Solar Millennium, Payom Solar, Q-Cells. Belectric, Singulus Technologies, Phoenix Solar, Pairan und scn energy.
WINDENERGIE
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat einen Vorschlag für die Einführung einer gesetzlichen Haftungsregelung im Offshore-Windenergie-Bereich vorgelegt. Ziel des Vorschlags ist es, die Investitionssicherheit für Offshore-Windparks zu stärken. Die dabei zur Diskussion stehende Offshore-Umlage sei kein neues Instrument, betonte ein Sprecher des Ministeriums gegenüber EUWID. Bereits heute würden die Offshore-Anbindungskosten über die Netzentgelte auf die Stromkunden umgelegt. Neu sei, diese Kosten separat und transparent in der Stromrechnung auszuweisen. Der Vorschlag der Regierung sieht vor, dass Windparkbetreiber bei Unterbrechungen ab dem 15. Tag der Nichteinspeisung einen pauschalierten Schadenersatz in Höhe von 80 Prozent der ihm entgangenen Einspeisevergütung erhalten. Diesen Betrag muss der Netzbetreiber aber nicht mehr selber tragen, sondern kann diesen als Offshore-Anbindungsumlage über die Stromrechnung an die Verbraucher abwälzen.
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung unterdessen auf, die deutschen Küstenländer bei Planung und Vorhaltung von Hafeninfrastrukturen zu unterstützen, damit die deutschen Häfen die Wachstumschancen der Windkraft auf See nutzen können. Wie aus einem Antrag (17/9573) weiter hervorgeht, soll die Regierung ferner das KfW-Förderprogramm „Offshore Windenergie“ für den Bereich der Hafen- und Schiffskapazitäten öffnen. Die Hafenstandorte in Deutschland seien bisher nicht in ausreichendem Maße für Offshore-Projekte gerüstet. „Dies droht die Entwicklung der gesamten Branche zu behindern“, warnt die SPD-Fraktion.
Zu den weiteren Themen der Ausgabe 21/2012 im Bereich der Stromerzeugung aus Windenergie zählen die wirtschaftlichen Potenziale der Windkraft für Waldbesitzer, die Planungen für eine koordinierte Notfallrettung in deutschen Offshore-Windparks sowie die Forschungsarbeiten an schwimmenden Windenergieanlagen an der TU Freiberg. Unternehmensmeldungen zu Nordex, Stadtwerke Kielm, Steag, GE, Bard, Dong Energy, WindGuard und Siemens ergänzen die Windberichterstattung.
GEOTHERMIE UND WASSERKRAFT
Das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) führt im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums von Februar 2012 bis Ende 2015 das Projekt „Informationsoffensive Oberflächennahe Geothermie 2012 – 2015“ durch. Dabei werden bodenkundliche, geologische und hydrogeologische Fachdaten und Karten im Maßstab 1:25.000 und 1:50.000 erstellt. Das Projekt wird aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der Europäischen Union kofinanziert. Ziel der Offensive ist es, Geothermie für jeden Hausbesitzer gewinnbar zu machen.
In Opponitz, Österreich, will der Energieversorger Wien Energie das Wasserkraftwerk an der Ybbs gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie modernisieren. Rund 30 Mio. € will das Unternehmen dafür aufwenden. Das Wasserkraftwerk Opponitz soll, wie das Unternehmen in einer Mitteilung bekannt gab, nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten dem heutigen Stand der Technik angepasst werden. Der Baubeginn für die Modernisierung der Anlage ist für Frühjahr 2013 nach der Schneeschmelze geplant. Das E-Werk liefert seit fast 90 Jahren Strom für über 25.000 Haushalte.