Keine Grundgesetzänderung für Einsatz der Bundeswehr
Zur Einbringung des Gesetzentwurfs der CDU/CSU-Fraktion zur Aenderung des Grundgesetzes (Artikel 35 und 87a) erklaeren die stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler und Hans-Joachim Hacker:
Die Anschlaege von Madrid haben weltweit Bestuerzung und Entsetzen ausgeloest. Sie haben auch in Deutschland die Diskussion ueber den Schutz vor Anschlaegen dieser Art wieder aufleben lassen. Dies ist verstaendlich.
Voellig unverstaendlich ist jedoch, dass CDU/CSU versuchen, die Tragoedie von Madrid innenpolitisch zu instrumentalisieren, und eine Aenderung des Grundgesetzes anstreben, die einen permanenten Einsatz der Bundeswehr im Innern ermoeglichen soll. Damit wird in schamloser Weise versucht, die Aengste der Buergerinnen und Buerger fuer parteipolitisch-ideologische Ziele auszunutzen.
Wuerden sich die Unionsfraktionen mit ihrem Vorhaben durchsetzen, der Bundeswehr weitgehende Polizeibefugnisse zu uebertragen, haette dies die Aufhebung der vom Grundgesetz gezogenen Trennlinien zwischen Aeusserer und Innerer Sicherheit zur Folge.
Diese Forderung, Soldatinnen und Soldaten de facto zum Lueckenbuesser von Polizei und Bundesgrenzschutz macht, lehnen wir ab.
Auch ohne Aenderungen sieht das Grundgesetz bereits heute zahlreiche Moeglichkeiten vor, die Bundeswehr im Innern in bestimmten Faellen einzusetzen, beispielsweise
- zur Hilfe bei Naturkatastrophen und Ungluecksfaellen,
- zum Schutz ziviler Objekte und Verkehrsregelung im Spannungs- oder Verteidigungsfall,
- zur Unterstuetzung der Polizei beim Schutz ziviler Objekte zur Abwehr einer drohenden Gefahr fuer den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Bundes oder eines Landes.
CDU/CSU suggerieren, dass die von ihnen angestrebte Grundgesetzaenderung zu mehr Sicherheit im Innern fuehren wuerde. Dies ist eindeutig nicht der Fall. Eine Verschmelzung der Aufgaben von Polizei und Bundeswehr, der das Grundgesetz ganz bewusst einen Riegel vorschiebt, wird von uns klar abgelehnt.
Der Bundestag hat bereits Ende Januar 2004 in erster Lesung das vom Kabinett eingebrachte Luftsicherheitsgesetz beraten. In diesem Gesetz werden die bisher im Luftverkehrsgesetz zersplitterten und mit fremden Regelungsmaterien verbundenen Bestimmungen zur Abwehr aeusserer Gefahren fuer die Luftsicherheit zusammengefasst, komplizierte Zustaendigkeitsabgrenzungen korrigiert und Regelungen an die Vorschriften der EU-Luftsicherheitsverordnung angepasst. Ferner wird der Einsatz der Streitkraefte in den Faellen, in denen die Polizeibehoerden der Laender nicht ueber die personelle und technische Ausstattung zum Handeln verfuegen, ausdruecklich geregelt. Dies dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit.
CDU/CSU haben bereits angekuendigt, dieses Gesetz, das eine eindeutige Verbesserung unserer Inneren Sicherheit zur Folge haette, im Bundesrat zu blockieren. Dieses Handeln ist vor dem Hintergrund der Anschlaege in Istanbul und Madrid unverantwortlich und zeigt einmal mehr, dass es der Union in Wirklichkeit nicht um mehr Sicherheit, sondern um Durchsetzung leicht zu durchschauender parteipolitisch-ideologischer Ziele geht!
Die Bundeswehr ist auf polizeiliche Aufgaben nicht vorbereitet und soll diese auch nicht ersatzweise erfuellen. Ihr Faehigkeitsprofil ist auf die Abwehr aeusserer Gefahren ausgerichtet und nicht auf die Uebernahme polizeilicher Aufgaben.
Wir reagieren verantwortungsbewusst auf die neuen Gefahren des Terrorismus. Wir werden die Wirkung der Sicherheitsgesetze kurzfristig ueberpruefen und Vorschlaege fuer notwendige Ergaenzungen eroertern.