Ausgleichszahlung für Flugreisende wegen Verspätung
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Darmstadt
(jur). Verspätet sich ein Rückflug wegen der plötzlichen Erkrankung des
Flugkapitäns um 24 Stunden, können Flugpassagiere Ausgleichszahlungen
beanspruchen. Denn für die Erkrankung eines Crew-Mitglieds und der damit
einhergehenden Verspätung haftet die Fluggesellschaft, entschied das
Landgericht Darmstadt in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 23. Mai 2012
(Az.: 7 S 250/11). Ein außergewöhnlicher Umstand, bei dem ausnahmsweise keine
Ausgleichszahlung fällig wird, sei die Erkrankung nicht. Wegen der
grundsätzlichen Bedeutung des Falls ließ das Gericht die Revision zum
Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu.
Im entschiedenen Rechtsstreit waren die Kläger 2010 nach Sansibar geflogen. Als
sie am 27. September 2010 um 7.00 Uhr morgens wieder zurück nach Frankfurt/Main
fliegen wollten, hob der Flieger wegen eines Kreislaufkollaps des Flugkapitäns
jedoch nicht ab. Erst 24 Stunden später konnten die Reisenden ihren Rückflug
antreten.
Von der beklagten Chartergesellschaft forderten die beiden Kläger wegen der
Verspätung eine Ausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 1.200 Euro sowie die
Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Dabei beriefen sie sich die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und auf eine entsprechende
EU-Richtlinie, die bei Verspätungen Ausgleichszahlungen vorsieht.
Der EuGH hatte am 19. November 2009 entschieden, dass Flugpassagiere bei einer
Verspätung von mehr als drei Stunden – bezogen auf die ursprüngliche
Ankunftszeit – genau die gleichen Ansprüche auf Ausgleichszahlungen haben, wie
Passagiere, deren Flug annulliert worden ist (Az.: C-402/07). Nur bei
außergewöhnlichen Umständen haftet danach die Fluggesellschaft nicht für die
Verspätung.
Die Fluggesellschaft meinte, dass die Erkrankung des Piloten als
außergewöhnlich anzusehen sei. Auch Streiks, die letztlich der Sphäre des
Unternehmens zuzuordnen seien, seien als „außergewöhnlicher Umstand“ anerkannt.
Dies müsse auch für Erkrankungen gelten.
Dem widersprach das Landgericht. Die Fluggesellschaft habe im Rahmen „der von ihr
geschuldeten Beförderungspflicht zum vereinbarten Zeitpunkt nicht nur ein
geeignetes und mangelfreies Fluggerät bereitzustellen, sondern auch das
taugliche und einsatzfähige Personal“, stellten die Darmstädter Richter klar.
Erkrankungen des Flugpersonals könnten sich dabei immer ereignen und gehörten
zur betrieblichen Sphäre des Unternehmens. Die beiden Kläger hätten aufgrund
der Entfernung von über 3.500 Kilometer von Sansibar nach Frankfurt Anspruch
auf eine Ausgleichszahlung von insgesamt 1.200 Euro. 150 Euro hatte die
Fluggesellschaft vorab schon für die Verspätung gezahlt.
Ob tatsächlich ein Streik der eigenen Piloten als „außergewöhnlicher Umstand“
eine Fluggesellschaft von der Ausgleichszahlung befreit, will der
Bundesgerichtshof am 21. August 2012 entscheiden (Az.: X ZR 138/11 und X ZR
146/11).
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