VERTRAGSRECHT
Internet-System-Vertrag
Autor: Volker Backs LL.M. - Rechtsanwalt
Internet-System-Vertrag
Unwirksamer Kündigungsausschluß und Vergütungsansprüche bei Kündigung
LG Schweinfurt, Beschluss vom 27.07.2010, 24 S 42/10
Nachdem der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 04.03.2010, III ZR 79/09, bereits festgestellt hat, dass es sich bei dem Internet-System-Vertrag um einen Werkvertrag handelt, hatte sich das Landgericht Schweinfurt in seiner Entscheidung vom 27.07.2010 mit Zahlungsansprüchen des Anbieters eines solchen Internet-System-Vertrages zu befassen, die dieser nach Kündigung des Vertrages geltend machte.
Der Anbieter des sog. Internet-System-Vertrages sah in § 2 Ziff. 1 seiner Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen vor, dass während der Laufzeit des Vertrages eine Kündigung nur aus wichtigem Grunde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen möglich ist. Der Vertrag verlängerte sich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils um ein Jahr, wenn er nicht vor Ablauf der jeweiligen Vertragslaufzeit gekündigt wird. Auch für diesen Zeitraum ist nur ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde vorgesehen.
Der Vertragspartner der Internetagentur, die den sog. Internet-System-Vertrag anbietet, erklärte den (als Kündigung zu wertenden) Rücktritt vom Vertrag, obwohl nach Auffassung der Internetagentur ein wichtiger Grund für die Kündigung nicht dargelegt worden war.
Die Agentur nahm den Vertragspartner auf Zahlung ausstehender Vergütung in Anspruch, da sie der Auffassung war, es habe kein Kündigungsrecht bestanden. Es habe an einem wichtigen Grund hierfür gefehlt.
Das Landgericht Schweinfurt hatte im Rahmen des Berufungsverfahrens über die Erfolgsaussichten der Berufung zu befinden und hat festgestellt, dass auch nach Ansicht des LG Schweinfurt (wie zuvor das Amtsgericht Bad Kissingen, Az. 74 C 832/09) der Internet-System-Vertrag als Werkvertrag frei kündbar ist und der Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts, wie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen, gegen die grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen verstößt und daher gemäß § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB unwirksam ist. Bereits mit Urteil vom 08.07.1999, Az. VII ZR 237/98, hat der Bundesge-richtshof entschieden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, die das in § 649 S. 1 BGB geregelte freie Kündigungsrecht des Auftraggebers ausschließen, unwirksam sind.
Ein Vergütungsanspruch hat das Landgericht der Internetagentur jedoch gleichwohl nicht zugestanden. Das LG Schweinfurt hat zwar festgestellt, dass sich ein Vergütungsanspruch grundsätzlich aus § 649 Abs. 2 BGB ergibt, sich der Auftragnehmer jedoch dasjenige anrechnen lassen muss, was er infolge des Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat.
Im vorliegenden Fall war die Kündigung kurz nach Vertragsschluss erklärt worden. Das Gericht ging deshalb davon aus, dass alle Aufwendungen im Zusammenhang mit der vertraglich versprochenen Leistung erspart worden seien, zumal mangels eigenen Vorbringens der Klägerin für andere Anhaltspunkte kein Raum war. Auch war nach Ansicht des Gerichts kein Raum für die Anwendung des § 649 S. 3 BGB, wonach zugunsten des Unternehmers vermutet wird, dass ihm 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenen vereinbarten Vergütung zustehen. Auch hierzu hat die Auftragnehmerseite nichts vorgetragen, weshalb für die widerlegbare Vermutung des § 649 S. 3 BGB kein Raum blieb und der Vergütungsanspruch folglich ins Leere gehen musste.
Nachdem die in dem hiesigen Verfahren klagende Anbieterin des Internet- System-Vertrages trotz Hinweises des Landgerichtes, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben werde, diese nicht zurückgenommen hat, wurde die Berufung mit dem oben zitierten Beschluss zurückgewiesen.
Fazit:
Die Entscheidung des Landgerichtes Schweinfurt ist erfreulich. Nachdem der Bundesgerichtshof derartige Verträge als Werkverträge qualifiziert hat, stellte das Landgericht Schweinfurt richtigerweise fest, dass derartige Verträge frei kündbar sind und der auf die Nichtdurchführung des Vertrages gerichtete Wille - wie auch immer dieser tatsächlich ausgedrückt wird - als Kündigungserklärung zu werten ist. Der Unternehmer ist dann hinsichtlich seiner Vergütungsansprüche auf das zu verweisen, was er unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen zu fordern vermag. Kann er solche Vergütungsansprüche nicht nachvollziehbar dartun, lässt er es insbesondere am entsprechenden Vortrag fehlen, welche ersparten Aufwendungen er in Abzug bringen kann, gehen seine Vergütungsansprüche ins Leere. Je unverzüglicher die Kündigung erklärt wird, desto schwerer fällt es dem Unternehmer, unangemessen hohe restliche Vergütungen für seine nicht erbrachten Leistungen im Rahmen des § 649 S. 2, 3 BGB zu verlangen.
Volker Backs LL.M.
Rechtsanwalt
im August 2010