INTERNETRECHT
Internet-Systemvertrag - ordentliches Kündigungsrecht nicht ausgeschlossen
Autor: Volker Backs LL.M. - Rechtsanwalt
Die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten im Werkvertrag auf die ausserordentliche Kündigung ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren
LG Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2010, 22.S 282/09
Das Landgericht Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 25.06.2010, 22 S 282/09, festgestellt, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes im Werkvertragsrecht unzulässig ist. Die Beschränkung auf die außerordentliche Kündigung ist nach Ansicht des Landgerichtes Düsseldorf nicht mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren.
Die Verwendung einer derartigen Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unangemessen und verstößt gegen § 307 BGB, da im vorliegenden Fall der Verwender (der Anbieter des Internet-System-Vertrages) durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht.
Der Entscheidung lag ein typischer Sachverhalt bei Abschluss eines Internet-System-Vertrages zugrunde. Die angesprochenen Kunden sollten als sog. Referenzkunden geworben werden, wobei im Einzelnen zwischen den Parteien streitig geblieben ist, was genau Inhalt des konkreten Referenzkundenangebots sein sollte. Nach Angaben des Anbieters des Internet-System-Vertrages werden diese sog. Partnerunternehmen subventioniert vor dem Hintergrund, dass ihre Internetpräsenz als Referenz genutzt werden soll. Ob es sich hierbei tatsächlich um ein günstiges Angebot handelte, blieb zwischen den Parteien streitig.
Bezüglich des Entgeltes war in § 1 Abs. 1 der im Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Auftragnehmerin die Regelung enthalten, dass das Entgelt jährlich im Voraus fällig sei, im ersten Jahr jedoch erst 30 Tage nach Vertragsschluss. Im Übrigen bestimmt § 2 Abs. 1 S. 1 der AGB:
„Während der umseitigen Laufzeit ist der Vertrag aus wichtigem Grunde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kündbar."
Der geworbene Referenzkunde hat - so der Vortrag - bereits 10 Minuten nach dem Verkaufsgespräch telefonisch mitgeteilt, nicht am Vertrag festhalten zu wollen und dies auch noch einmal schriftlich am nächsten Tage mitgeteilt.
Der Auftragnehmer hat sich darauf berufen, dass das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen sei.
Nach den Feststellungen des Landgerichtes Düsseldorf war die freie Kündigung des Vertrages nach § 649 S. 1 BGB möglich.
Der Internet-System-Vertrag ist nach der Ansicht des Gerichts und der Rechtsprechung des Bundesgerichteshofes (III ZR 79/09 vom 04.03.2010), der sich das LG Düsseldorf angeschlossen hat, insgesamt als Werkvertrag einzuordnen, so dass sich dem jeweiligen Vertragspartner das Recht zur sog. freien Kündigung nach § 649 S. 1 BGB eröffnet.
Nach den Feststellungen des Landgerichtes Düsseldorf konnte das Recht zur freien Kündigung durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht ausgeschlossen werden, da ein solcher Ausschluss gegen § 307 BGB verstößt. Dieser rechtlichen Würdigung steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.03.2010 nicht entgegen, da diese keine Aussage zum Kündigungsrecht nach § 649 BGB erkennen lässt.
Das Landgericht stellt im Wesentlichen darauf ab, dass eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen ist, wenn der Verbraucher durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich Eigeninteressen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von Vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Hierzu führt das Gericht umfangreich aus und stellt fest, dass besondere Interessen des Verwenders im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Im übrigen sei der Auftragnehmer nach der Wertung des Gesetzes durch die Regelung des § 649 S. 2 BGB ausreichend geschützt.
Letztendlich steht nach Ansicht des Gerichtes dem Auftragnehmer aber auch ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 649 S. 2BGB zu, wozu allerdings zunächst die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen dargelegt und bezüglich letzterer die ersparten Aufwendungen vorgetragen werden müssen, was vorliegend nicht der Fall war. Da es sich um einen sog. Altvertrag handelte, der vor dem 01.01.2009 abgeschlossen war, konnte auch nicht auf die Regelung des § 649 S. 3 BGB zurückgegriffen werden, wonach dem Auftragnehmer möglicherweise eine pauschale Vergütung in Höhe von 5 % des noch nicht erbrachten Teils der Werkleistung vereinbarten Vergütung zustehen könnte. Insoweit verweisen wir allerdings auch auf die Entscheidung des Landgerichtes Schweinfurt vom 27.07.2010, 24 S 42/10, nach der auch diesbezüglich bestimmte Anforderungen zu erfüllen sind, um überhaupt einen Anspruch begründen zu können.
Fazit: Im Ergebnis ist festzuhalten, dass zum einen zwar das Landgericht Düsseldorf zu Recht feststellt, dass der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts unwirksam ist. Allerdings verweist das Gericht zu Recht darauf, dass dies den Vergütungsanspruch nicht zur Gänze entfallen lässt. Hierzu bedarf es konkreter und im Einzelfall nachzuweisender Sachverhaltsdarstellungen und umfassender rechtlicher Würdigung, die sowohl die Berechnung der ersparten Aufwendungen im Blick haben müssen, wie auch das Zustandekommen der Verträge beinhalten muss.
© Volker Backs LL.M.
Rechtsanwalt
im November 2010