FAMILIENRECHT
BGH-Urteil zum Unterhaltsanspruch beim Wechsel der Erstausbildung
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Die Klägerin ist die 1970 geborene Tochter des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Nach dem 1991 abgelegten Abitur hat sie im November 1992 eine Ausbildung zur Heilpraktikerin begonnen. Da der Beklagte im September 1993 seine Unterhaltszahlungen einstellte, nahm sie im November 1993 eine Anstellung in der Verwaltung einer Universität an. Im Mai 1994 brach sie die Ausbildung als Heilpraktikerin ab. In der Folgezeit bewarb sie sich bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen um einen Studienplatz für das Medizinstudium, nahm im November 1994 erfolgreich an dem (damals erforderlichen) Eignungstest teil und begann im April 1995 mit dem Studium, in dem sie im September 1997 das Physikum bestand. Sie nimmt den Beklagten für das Medizinstudium auf weiteren Ausbildungsunterhalt in Anspruch.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, selbst wenn die Eltern grundsätzlich verpflichtet seien, das Medizinstudium als Weiterbildung nach einer Ausbildung zur Heilpraktikerin zu finanzieren, fehle es im vorliegenden Fall jedenfalls an dem für die Zubilligung weiteren Ausbildungsunterhalts erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen der abgebrochenen Ausbildung und der Aufnahme des Studiums.
Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat hat das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Er hat ausgeführt, das Oberlandesgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß im Rahmen des vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägten Unterhaltsverhältnisses die Obliegenheit des Auszubildenden bestehe, seine Berufsausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben und daß eine nachhaltige Verletzung dieser Obliegenheit zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führe. Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Klägerin sei eine solche Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen, weil zwischen dem Abbruch der Ausbildung zur Heilpraktikerin und der Aufnahme des Studiums eine deutliche zeitliche Zäsur liege, lasse jedoch wesentliches Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt. Sie habe nämlich geltend gemacht, sich zum Medizinstudium entschlossen zu haben, weil sie im Laufe der Heilpraktikerausbildung erkannt habe, daß sie die Tätigkeit als Heilpraktikerin mit nur eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten im medizinischen Bereich unterfordern werde; in der Zeit ab Juni 1994 habe sie sich auf den medizinischen Eignungstest vorbereitet und durch die erfolgreiche Teilnahme hieran die Voraussetzung für die nächstmögliche Zulassung zum Medizinstudium geschaffen. Diese Umstände sprächen dafür, daß die Klägerin die Aufnahme des Studiums zielstrebig verfolgt habe.
Das angefochtene Urteil konnte deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Das Oberlandesgericht wird nunmehr unter Berücksichtigung des außer Betracht gelassenen Vorbringens erneut zu beurteilen haben, ob der Klägerin eine Verletzung ihrer Ausbildungsobliegenheit anzulasten ist und verneinendenfalls über die Frage zu befinden haben, ob der Beklagte den Ausbildungswechsel hinnehmen muß. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß es vorliegend nicht um die Frage einer Weiter- oder Zweitausbildung, sondern um die Erstausbildung der Klägerin geht. Ein Ausbildungswechsel ist von dem Unterhaltspflichtigen etwa hinzunehmen, wenn die angestrebte Ausbildung mit der vorausgegangenen in einem sachlichen Zusammenhang steht und die Finanzierung des gesamten Ausbildungsganges dem Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, daß er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Im übrigen wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet.
BGH, Urteil vom 14. März 2001 – XII ZR 81/99 –