AUSLäNDERRECHT
Einbrügerung: grundlegende Kenntnisse der freiheitlich demokratischen Grundordnung erforderlich
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Stuttgart (jur). Ohne grundlegende Kenntnisse der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland können Ausländer nicht eingebürgert werden. Der einbürgerungswillige Ausländer muss wenigstens über „einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügen“, entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem am Donnerstag, 9. Oktober 2014, veröffentlichten Urteil (Az.: 11 K 4764/13). Ein rein formales Bekenntnis zum Grundgesetz ohne entsprechendes Grundwissen reicht danach nicht aus.
Geklagt hatte eine Türkin, die im Juni 1999 in Deutschland Asyl suchte. Bei der Frau wurde eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit „depressiv suizidalem Syndrom“ festgestellt. Die Erkrankung ging auf Misshandlungen zurück, die ihr türkische Sicherheitsbehörden nach ihrer Verhaftung zugefügt hatten.
Nachdem sie als Asylberechtigte anerkannt wurde, erhielt sie eine Niederlassungserlaubnis. 2012 beantragte sie die Einbürgerung als Deutsche. Dazu gab sie auch die erforderliche Erklärung ab, dass sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland bekennt.
Das Regierungspräsidium Stuttgart lehnte den Einbürgerungsantrag ab. Die Frau erhalte seit ihrer Ankunft in Deutschland Sozialleistungen. Sie spreche zudem kein Deutsch. Sie könne auch nicht wegen ihrer Krankheit verlangen, dass die Voraussetzungen für ihre Einbürgerung gelockert werden. So haben ihr behandelnder Facharzt und das Gesundheitsamt festgestellt, dass sie trotz ihrer Erkrankung ausreichende Deutschkenntnisse erwerben könnte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte die Frau, dass sie schon Deutsch lernen wolle, sie das Gelernte aber immer wieder vergesse. Selbst die Namen ihrer Kinder habe sie schon mal vergessen. Sie wolle hier „nach deutscher Ordnung leben und wie eine Deutsche sein“.
Auf Fragen des Gerichts nach dem politischen System in Deutschland kam die Frau ins Schwimmen. Sie wusste zwar, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin ist. Ob es einen König gebe, konnte sie jedoch nicht beantworten. Auch meinte sie, dass Merkel den deutschen Gerichten Anweisungen geben könne.
Nach diesen Antworten bestritt der Behördenvertreter als Beklagter, dass die Türkin überhaupt den Sinn der freiheitlich demokratischen Grundordnung verstanden habe. Dies stehe einer Einbürgerung entgegen.
Das Verwaltungsgericht entschied in seinem Urteil vom 20. März 2014, dass die Behörden zu Recht die Einbürgerung als Deutsche verweigert haben. Das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sei keine lediglich formelle Einbürgerungsvoraussetzung. Der Ausländer müsse den Inhalt dieses Bekenntnisses auch verstanden haben und zumindest über einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügen.
Eine Erklärung, dass man „in der deutschen Ordnung leben wolle“, reiche nicht aus. Allerdings dürften die Anforderungen an einen Einbürgerungsbewerber auch nicht überspannt werden. So müsse auf den Bildungshorizont, die Lebensumstände und die konkreten Verständigungsmöglichkeiten Rücksicht genommen werden.
Die Klägerin erfülle dennoch nicht die Einbürgerungsvoraussetzungen. Ein Verständnis der freiheitlich demokratischen Grundordnung lasse sich bei ihr nicht feststellen.
Die Einbürgerung sei zudem auch wegen des Bezugs von Sozialleistungen ausgeschlossen. Das Gericht hat die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim zugelassen.
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