BERUFSRECHT DER ÄRZTE
Aus der Praxis Arztstrafrecht - Juristische Konsequenzen für den Arzt bei Ermittlungsverfahren wegen Betrug und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz am Beispiel des aktuellen Verfahrens um die Verhütungsspritzen aus Österreich
Autor: Thomas M. Amann - Rechtsanwalt
"Millionen-Betrug durch nicht zugelassenes Medikament. Frauenärzte verkauften illegal Verhütungsspritzen"
So oder so ähnlich titeln derzeit die einschlägigen Medien über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen mehre im Bundesgebiet niedergelassene Mediziner.
Nach verschiedenen Nachrichtenmeldungen hättem über 600 deutsche Gynäkologen mit nicht zugelassenen Verhütungsmitteln gehandelt und Fahnder in NRW so einen der größten Ärztebetrugsfälle Deutschlands aufgedeckt. Dabei hätten mehr als 600 Ärzte und Frauenärzte im großen Stil mit nicht zugelassenen Verhütungsmitteln gehandelt und setzten dabei mehrere Millionen Euro umgesetzt. Wuppertaler Polizei, Staatsanwälte und Zollfahnder aus Essen hätten die Betrugsfälle aufgedeckt, bei denen es um Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz und den illegalen Großhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten, die nur Apotheken absetzen dürfen, gehe. Konkret würde Strafverfolger des Zollkriminalamt (ZKA) gegen 611 Gynäkologen im Bundesgebiet ermitteln.
Die beschuldigten Frauenärzte sollen dabei Patientinnen im großen Stil Verhütungsspritzen mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Mittel Depocon verkauft haben, nachdem sie dieses billigere österreichische Präparat im Internet bestellt haben. Das in Österreich zugelassene Medikament hätten Praxen oder Ärztegenossenschaften dazu im Internet bei der Firma Sigma geordert und sich die Schwangerschaftsverhütungsspritzen dann per Paketboten lieferen lassen. Das Medikament sei billiger als ein vergleichbares Präparat in Deutschland.
Was bedeutet das nun für den von diesem (oder auch ähnlichen Ermittlungsverfahren) betroffenen Arzt?
1. Die gesetzlichen Regelungen in den Verordnungen der Berufskammern
Die Berufsausübung der Ärzte ist in den landesrechtlichen Regelungen der Heilberufsgesetze sowie in den Berufsordnungen der jeweiligen Berufskammern geregelt. Die Muster-Berufsordnung ist eine Empfehlung der privatrechtlichen Bundeskammer an die öffentlich-rechtlichen Landeskammern.
Diesen Regelungsgehalt haben die meisten Berufskammern der einzelnen Bundesländer grundsätzlich übernommen.
2. Berufsrechtliche Rechtsfolgen
Schuldhafte Verstöße gegen die Bestimmungen der Berufsordnung können berufsgerichtliche Verfahren nach dem jeweiligen Heilberufsgesetz nach sich ziehen. In diesen Verfahren kann dem Betroffenen als drastischste Konsequenz sein aktives und passives Berufswahlrecht entzogen oder seine Berufsunwürdigkeit feststellt werden.
Die Kammern kooperieren zudem mit der zuständigen Verwaltungsbehörde, die auch die Approbation als Arzt widerrufen kann.
3. Zivilrechtliche Haftung
Nach Presseinformationen enthalte im vorliegenden Fall die Drei-Monats-Spritze hochdosiertes Gestagen. Der Frauenarzt spritze das Hormon je nach Präparat am ersten bis fünften Tag des Zyklus. Depotspritzen hätten den Vorteil, dass Frauen nach der Injektion erst einmal drei Monate lang nicht mehr an Verhütung denken müssen.
Dabei seien die Spritzen jedoch oft mit starken und unregelmäßigen Blutungen verbunden.
Eine Verletzung der einschlägigen Arzneimittelbestimmungen durch die Verabreichung eines in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels kann bei negativen medizinischen Folgen eine wirtschaftliche Haftung des Behandlers im Rahmen des Schadensersatz auslösen. Zudem kann gegebenenfalls noch der Anspruch des Patienten gegen den verabreichenden Arzt beziehungsweise die verabreichende Ärztin auf Zahlung von einem angemessenen Schmerzensgeld bestehen.
4. Strafrechtliche Konsequenzen
Die Strafnorm des § 95 AMG (Arzneimittelgesetz) sieht einen Strafrahmen von bis zu 10 Jahren Haftstrafe vor. Gleiches gilt für die Strafvorschrift des Betruges in § 263 StGB (Strafgesetzbuch). Im Strafverfahren besteht weiter die Möglichkeit, gemäß § 70 StGB ein Berufsverbot auszusprechen. Eine Vorstrafe wird zudem gemäß § 32 BZRG ins Führungszeugnis eingetragen und nach Nr. 26 MiStra (siehe unten) der Berufskammer gemeldet.
5. Juristische Verteidigung und Vertretung, wenn ein Strafverfahren bereits läuft
Auch bei dem vorliegenden Beitrag ist zu beachten, dass dessen kurze Ausführungen lediglich einen ersten groben Überblick über die aktuelle Rechtslage um diesen Bereich und einen Einblick in die äußerst komplexen Verfahren und seine Rechtsfolgen geben können. In keinem Fall können sie eine individuelle Rechtsberatung ersetzen, da jeder Fall grundsätzlich anders gelagert und mithin anders zu handhaben ist.
Besonders in Verfahren gegen Personen wie Ärzte, die von Zulassungen und Erlaubnissen abhängen kann umso mehr erreicht werden, je früher ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger des Vertrauens eingeschaltet wird. In Ermittlungsverfahren wie diesen, wie auch in allen anderen Strafverfahren, wird nämlich die Staatsanwaltschaft im Regelfall bestrebt sein, nach Abschluss der Ermittlungen schnellstmöglich Anklage gegen den Beschuldigten beim zuständigen Gericht zu erheben, um so eine öffentliche Hauptverhandlung und eine Verurteilung inkl. Einträgen im Führungszeugnis zu erreichen. Zur Vermeidung dessen wird (soweit dies der primären und sekundären Zielsetzung der Verteidigungsstrategie entspricht) der mit der Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt oder Strafverteidiger sämtliche strafprozessualen Mittel nutzen, um bereits in einem möglichst frühen Verfahrensstadium mit der Justiz ein alternatives außergerichtliches existenzerhaltendes Verfahrensbeendigungsszenario zu kreieren.
Erlangt bei angestellten Medizinern zudem der Arbeitgeber, Dienstherr oder die zuständige Kammer auf die eine oder andere Art Kenntnis von dem laufenden Ermittlungsverfahren, sind unverzüglich die dienstrechtliche bzw. die arbeitsrechtliche Situation anwaltlich zu prüfen und ggf. geeignete (Gegen-) Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und zur Sicherung der Existenz bzw. Lebensgrundlage einzuleiten. Nicht jedes Strafverfahren berechtigt den Arbeitgeber zu einer Kündigung, einer Suspendierung oder zum Entzug einer Zulassung.
Unterliegt der von einem Ermittlungsverfahren Betroffene Arzt oder Mediziner der Aufsicht einer berufsständischen Einrichtung und ist dies der Strafjustiz (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht) bekannt, kann davon ausgegangen werden, dass die Justiz die zuständige Kammer über das Straf- bzw. über das Ermittlungsverfahren informieren wird.
So ist z.B. Nach Verordnung Nr. 26 der so genannten Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) in Verbindung mit § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 EGGVG die zuständige Behörde und Berufskammer bei Strafsachen gegen Angehörige der Heilberufe - namentlich bei Strafsachen gegen Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Tierärztinnen und Tierärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker, Hebammen und Entbindungspfleger - grundsätzlich über das Strafverfahren zu informieren, wenn der Tatvorwurf auf eine Verletzung von Pflichten schließen lässt, die bei der Ausübung des Berufes zu beachten sind, oder er in anderer Weise geeignet ist, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen. Auch das kann sich existenzvernichtend auswirken.
Daher sollte unverzüglich der gewählten Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger hierauf angesprochen werden, damit dieser das Problemfeld Berufszulassung rechtzeitig in seine Verteidigungsstrategie miteinbeziehen und gemeinsam mit seinem Mandanten zielgerichtete effektive Verteidigungsmaßnahmen zur Lösung dieses Problems entwickeln kann.
In einer auf Strafrecht für Ärzte und Mediziner spezialisierten Kanzlei wird man dem Beschuldigten im Rahmen der strafrechtlichen Betreuung selbstverständlich in der krisenhaften Situation auch menschlich unter Einbeziehung der aus der Strafverfolgung resultierenden beruflichen und persönlichen Konflikte beistehen.